Radeln auf der Balkanroute
Irgendwie ist es ja nichts Neues – und trotzdem sind wir immer wieder überrascht, wie viele von euch da draußen den gleich Wunsch in sich spüren, der auch uns immer wieder hinaus in die Welt treibt: Wir alle wollen das Leben außerhalb des Office-Alltags mehr zu genießen und mit vielen kleinen und großen Abenteuern bereichern. Und die fangen häufig schon mit dem ersten Schritt an, denn oftmals ist ja der Weg das eigentliche Ziel.
Das dachte sich wohl auch unser guter Freund David, als er sich in diesem Sommer auf den Weg von Wien nach Istanbul machte. Mit dem Fahrrad! Fliegen kann schließlich jeder… Wir waren mega gespannt, was David OUT OF OFFICE so alles erlebt, und wollten mehr von dieser „abgefahrenen“ Reise erfahren. Ein Auszug aus unserer Plauderstunde…
Mit dem Rad nach Istanbul. Erste Frage: Wieso?
Sehr gute Frage … Eigentlich ist das ziemlich spontan und als eine Art Plan B entstanden. Die ursprüngliche Idee war, im Sommer acht Wochen durch Südamerika zu reisen, aber aufgrund der Größe des Kontinents und der Tatsache, dass dort zu der Zeit Winter ist und man dadurch in vielen Ländern wetterbedingt eingeschränkt ist, fanden wir keine Route, mit der wir so wirklich glücklich waren. Und dann kam mein Kumpel Markus, der in Österreich wohnt, eines Abends nach ein paar Bier (ähm, natürlich Radler…) auf die Idee, mit den Bikes von Wien nach Istanbul zu fahren. Ich fand das grandios – und der Plan stand.
Und wie lange dauert so ein Ritt?
Als wir an der blauen Moschee in Istanbul ankamen standen 3211km auf dem Tacho. Bis dahin waren wir etwas über 5 Wochen unterwegs. Allerdings sind wir nicht jeden Tag gefahren, in den größeren Städten und am Meer haben wir uns auch mal ein oder zwei Ruhetage gegönnt. Lustigerweise sind wir ursprünglich von nur etwa 2000km ausgegangen … Wir hatten die Strecke einfach bei Google Maps eingegeben. Wie sich dann aber herausstellte ist der Weg, den man tatsächlich mit den Rädern nimmt, nicht unbedingt mit der direkten Autobahn-Strecke identisch!
Viele Wegen führen nach… Istanbul. Welche Route habt Ihr gewählt?
Eigentlich immer am Wasser entlang! Bis ans schwarze Meer gibt es den Euro Velo 6 (oder auch Donauradweg), so dass wir uns die meiste Zeit tatsächlich an der Donau orientiert haben. Was allerdings leichter klingt als es dann tatsächlich war. Bis Budapest sind wir ohne Karte gefahren und haben uns einige Male ganz schön verfranzt, der Radweg führt nämlich nicht immer direkt am Fluß lang … Die wenigen Schilder, die es gibt, übersieht man recht leicht und gleichzeitig gibt auch jeweils mehrere Routen auf beiden Seiten. Von Budapest bis zum Schwarzen Meer hatten wir dann spezielle Radkarten, das hat ziemlich gut geklappt. Da haben wir dann auch einen größeren Schlenker nach Bukarest gemacht, das ja nicht direkt an der Donau liegt. Von dort ging’s dann wieder zurück zur Donau und bis ans Schwarzen Meer. Wir sind zuerst die rumänische, dann die bulgarische Küste runtergefahren und ab der Türkei dann straight Richtung Istanbul. Die größten Städte unterwegs waren Bratislava, Budapest, Novi Sad, Belgrad, Bukarest und Constanza.
Wie bereitet man sich auf so einen Trip überhaupt vor?
Da wir mit den ernsthaften Vorbereitungen (Fahrrad kaufen bzw. fit machen, Taschen packen etc.) erst knapp drei Wochen vor Abreise gestartet haben, war für ein Trainingslager auf Mallorca oder ähnliches nicht wirklich viel Zeit. Allerdings hatte ich gut fünf Wochen vorher mal einen Belastungstest mit einer Stunde intensivem Radeln im Fitnessstudio gemacht, um sicherzustellen, dass mein kreuzband-und-knorpel-geschädigtes Knie auch mit macht. Und da das dem Knie eher gut als schlecht getan hat, war die Vorbereitung damit abgeschlossen.
Du arbeitest als Freelancer für Web-Projekte. Wie lässt sich so eine Zeit OUT OF OFFICE mit dem Job vereinbaren?
Eigentlich besser als gedacht! Ich habe mit meinen Kunden aktuelle Projekte rechtzeitig besprochen und die verlängerten Ferien frühzeitig angekündigt. Die Reaktionen waren eigentlich durchweg positiv – und bei dem ein oder anderen kam auch etwas Neid durch. Für die meisten Festangestellten sind sechs Wochen Urlaub ja nur schwer realisierbar.
Natürlich war die Zeit vor der Abreise nochmal sehr arbeitsintensiv, da ich so viel wie möglich noch fertig bekommen wollte. Bei den weniger dringenden Sachen war die Auszeit auch okay, bei vielen Firmen dreht sich das Rad im Sommer ja urlaubsbedingt auch etwas langsamer. Und ganz abgenabelt habe ich mich sowieso nicht, einen Laptop hatte ich dabei, so dass ich in Notfällen (die zum Glück nicht eingetreten sind) hätte reagieren können. Aber ich konnte alle paar Tage E-Mails checken und beantworten.
Eine Reise lebt von Begegnungen mit anderen Menschen…
Ja das ist wirklich so! Gerade wenn man von so einer Tour erzählt, sind es immer weider die Geschichten von den Menschen, die man unterwegs getroffen hat, die besonders spannend und interessant sind. Inspirierend in Bezug auf das Thema Out of Office war zum Beispiel die Begegnung mit Branko in Serbien. Es war schon kurz vor der Dämmerung, als wir mehr oder weniger zufällig ca. 100km nach Belgrad auf einen kleinen idyllischen Camping-Platz an einem See gestoßen sind. Vor Ort wurden wir sehr nett begrüßt und waren gleichermaßen beeindruckt und überrascht, dass es auf dem gesamten Areal WLAN gab und wir sogar mit Paypal bezahlen konnten. Am nächsten Tag kamen wir dann länger mit Betreiber Branko ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass er eigentlich Web-Entwickler und Inhaber einer kleinen Agentur ist. Ein Kollege von mir, sozusagen. Den Camping-Platz hat er erst letztes Jahr eröffnet – als Ausgleich zu seinem Büro-Job. Besonders im Sommer und in der Stadt hat ihm die Natur und das Gefühl gefehlt, etwas Reales zu schaffen. Er war auf der Suche nach einer Aufgabe, die er mit seinem Hauptjob verbinden konnte. Der Camping-Platz ist für ihn die ideale Lösung: Er ist in Kontakt mit vielen Menschen, es gibt immer etwas Handwerkliches zu tun und er ist die meiste Zeit draußen. Dank WLAN und Laptop kann er seiner normalen Tätigkeit trotzdem nachgehen. In der nächsten Saison möchte er den Camping-Platz übrigens weiter in Richtung eines Coworking-Spaces – er nennt es Cybercamp – ausbauen, um auch anderen Reisehungrigen die Möglichkeit zu geben, aus dem Büro-Alltag zu entfliehen und dabei in einem dynamischen und inspirierenden Umfeld Synergien zu schaffen. Ich finde, das ist ein sehr cooles und spannendes Projekt.
Und wie habt ihr euch vor Ort verständigt? Du sprichst weder Rumänisch noch Türkisch…
Nein, leider nicht. Aber mit Händen und Füßen funktioniert es ja dann doch immer irgendwie. Wobei es manchmal etwas länger dauerte, z.B. an einem kleinen Supermarkt in Rumänien, als wir eigentlich nur vor dem Regen flüchten und eine Kleinigkeit trinken wollten. Da es dann aber weiter und weiter regnete und die Dämmerung einbrach, wurde es ein längerer Aufenthalt. Wir haben dann versucht zu fragen, ob wir im Garten campen dürften… So richtig verstanden wurden wir erst, als das Zelt schon halb stand und wir den Besitzer somit mehr oder weniger zu seinem Glück gezwungen haben. Er hat uns dann aber sehr freundlich aufgenommen und uns sogar noch Zugang zum Bad mit fließendem Wasser angeboten. Wir haben dann später auch Kontaktdaten ausgetauscht haben – falls er mal mit dem Fahrrad nach Deutschland kommt…
Zur Zeit erleben wir Europa nicht überall als gastfreundlich. Tausende Flüchtlinge werden an den Grenzen abgewiesen. Wie sind die Menschen auf auf dem Balkan auf Euch zugegangen?
Zugegebenermaßen hatten wir besonders von Serbien und Rumänien keine wirkliche Vorstellung, sondern eher ein paar Vorurteile im Kopf. Wir wurden auch im Vorfeld gewarnt, wir sollen dort sehr aufpassen… Aber am Ende waren es gerade diese Länder, die uns positiv überrascht haben. Die Menschen waren super offen und hilfsbereit. Und vor allem auch neugierig: Wir zwei Deutsche auf Fahrrädern in der Provinz – das hat schon für viel Aufsehen gesorgt, so dass man allein dadurch gleich ins Gespräch kam. Da viele Menschen in diesen Gegenden selbst nicht so viel reisen können und auch nicht so vernetzt sind wie wir, ist so ein Treffen für sie immer eine spannende Gelegenheit zum Austausch und um Einblicke in eine andere Kultur zu bekommen. Ganz besonders Spaß hat es abends gemacht, wenn wir durch kleine Dörfer fuhren, in denen die Menschen vor ihren Häusern an der Straße saßen und uns teilweise euphorisch zugejubelt haben.
Was nimmt man mit von solch einer Tour… neben strammen Wadeln?
Mein Fitnesslevel ist tatsächlich so hoch wie schon lange nicht mehr. Aber da ich kein großer Souvenir-Jäger bin sind es vor allem die Eindrücke und der Spaß auf der Tour, von dem ich immer noch zehre. Man wird sich bewusst, wie wenig man eigentlich benötigt, um glücklich und zufrieden zu sein. Nach einem langen Tag auf dem Fahrrad mit vollem Magen vor dem Zelt zu sitzen und – im Idealfall – noch etwas Kühles zu trinken… Das war für uns schon mehr als genug und wir haben teilweise das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommen, wenn wir das Erlebte haben Revue passieren lassen. Da hat auch die Tatsache nicht gestört, dass wir uns, wenn wir gerade nicht direkt am Wasser waren, mit einer Katzenwäsche – oder wie wir es getauft haben: „Basic Hygiene“ – zufrieden geben mussten.
Ich bin auf meinen Radtouren mit einem Rennrad unterwegs. Funktioniert eine Reise wie Eure auch mit 23mm Reifen oder sollte der Bock eher geländetauglich sein?
Also mit einem Rennrad wäre die Tour schwierig geworden. Wir hatten das komplette Programm: Von Autobahn oder perfekt ausgebauten Radwegen bis hin zu extrem sandigen oder sehr steinigen Feldwegen, löchrigen Landstraßen und manchmal auch Querfeldein-Strecken – es war wirklich alles dabei. Da waren unsere robusten Touren- bzw. Crossräder schon die bessere Wahl. Eigentlich war es das perfekte Setup, denn reine Mountain-Bikes wären für die Straße auch nicht wirklich geeignet gewesen. Mit unseren Bikes sind wir überall gut durchgekommen.
… Und wie schätzt du nach dieser Tour unsere anvisierte Route “Berlin-Rügen an einem Tag” ein? Zornig oder entspannt?
Ich würde alles über 150km nicht unbedingt als “entspannt” bezeichnen. Aber machbar sind die 300km an einem Tag schon. Wie zornig es dann letztendlich wird hängt vor allem vom Wind ab… Der hat unsere Planungen teilweise komplett durcheinander geworfen bzw. das Errreichen der Ziele sehr viel härter gemacht als gedacht.
Ein abschließendes Fazit zum Equipement. Auf was kommt es neben der Radlerhose wirklich an? Packmaß oder Gewicht? Was war völlig überflüssig?
Etwas hin- und hergerissen bin ich wegen des Laptops. So komplett ohne wäre man im Kopf noch eine Nummer freier gewesen, aber natürlich nur so lange man ihn nicht doch braucht… Ansonsten hatte ich definitiv zu viele Klamotten dabei. Die warmen Sachen (Jeans + Fleecepulli) würde ich wieder mitnehmen, da hatten wir wettermäßig einfach Glück, dass wir die nicht gebraucht haben. Richtig überflüssig und eine komplette Fehlinvestition war allerdings das Outdoor-Kurbel-Solar-Radio! Wenn man mitten in der Natur ist, ist genau diese Geräuschkulisse einfach so viel geiler als jeder Radiosender – vor allem, wenn der Empfang des Geräts so wackelig ist. Generell benötigt man wirklich sehr, sehr wenig: Zwei Sets an Bike-Klamotten, so dass man ein Set abends immer auswaschen kann, zwei bequeme Shorts und ein paar T-Shirts sowie die obligatorische Bike-Cap, mehr hätten wir eigentlich nicht gebraucht.
Beim Camping-Equipment waren wir – auch dank der Leihgaben von OUT OF OFFICE, vielen Dank dafür nochmal – sehr gut ausgestattet, wobei der Gaskocher und die Töpfe so wenig zum Einsatz kamen, dass wir die das nächste Mal auch eher zu Hause lassen werden. Etwas Brot, Wurst und Käse war beim Wild-Campen immer einfacher zu managen und auch leckerer als Nudeln + Soße (vor allem, da man teilweise mehr damit beschäftigt war vor den Mücken zu fliehen als dass man in Ruhe hätte kochen können). Legendär waren allerdings unsere in Bouillon gekochten Hühnerschenkel und die im gleichen Wasser gekochten „serbischen Eier“. Aus dem Omelett, das es ursprünglich hätte werden sollen, wurde leider nichts, da der in der Karte eingezeichnete Campingplatz leider nicht existierte und wir dann auf dem nächstbesten Feld improvisieren mussten…
Wir bedanken uns noch einmal bei David und seinen Kumpel Markus für die vielen Eindrücke und Anekdoten – und sind schon gespannt, wohin Euch Eure nächste Tour führen wird. Nehmt uns am besten einfach mit…
Baltic Sea Circle – Drei, zwei, eins… GO! |
schrieb am[…] Freunde David und Markus. Im letzten Sommer haben wir sie Euch schon einmal vorgestellt, unterwegs mit dem Radl von Wien nach Istanbul. Dieses Jahr tauschen die beiden erneut das Büro gegen ein echtes Outdoor-Abenteuer – allerdings […]