Berlin Night Rider
Es ist 22:00 Uhr. Ich stehe am großen Stern, dem Kreisverkehr an der Siegessäule und warte darauf das »Fēnix« meine GPS Position lokalisiert. Wenn das geschehen ist kann es endlich losgehen, ein 122 km langes Abenteuer durch die Straßen Berlins.
Ein Fahrrad. Ein Computer. Ein Mann. Night Rider
„Du spinnst“ sagte Katharina und schaute mich verständnislos an. Ich hatte ihr grade von meinem Plan erzählt, am Wochenende den Garmin Velothon zu fahren, allerdings inoffiziell und 12 Stunden zeitversetzt, so dass ich nachts starten und zum Sonnenaufgang zurück in Berlin sein würde. Diese, wie ich fand großartige Idee kam mir mittags beim Arzt. Auf meinen „Gesundheitscheck“ wartend (meine Krankenkasse freut sich über meine ausreichende Fitness und bedankt sich dafür mit einem kleinen Rabatt) las in der Sonderausgabe des Spiegels einen Artikel über eine Gruppe britischer Radfahrer, die sich pünktlich um Mitternacht von London aus auf den Weg Richtung Küste begibt, um da morgens ein kühles Bierchen mit Meerblick zu genießen. Ich war begeistert, zudem hatte ich drei Tage zuvor mein neues Spielzeug aus dem Hause Garmin erhalten, die Fēnix 3 – eine Multisportuhr mit Smartwatch-Funktionen, die so ziemlich alles misst, was es so zu messen gibt. Zudem verfügt sie über vielfältige Navigationsfunktionen für diverse Outdoor-Aktivitäten, die alle unbedingt getestet werden sollte.
„Wir wollten doch schon immer was zum Thema Micro Adventures machen. Und so schlimm wird es schon nicht werden. Die Profis brauchen für so eine Stecke nur 2,5 Stunden und nachts ist Berlin eh am schönsten.“ antwortete ich. „Du bist aber kein Profi und dein Fahrrad hat noch nicht mal eine Gangschaltung. Vielleicht kannst Du dich ja noch daran erinnern, dass Du mich vor drei Jahren jammernd aus dem Grunewald angerufen hast, um zu fragen, ob ich mal kurz bei Google Maps gucken könnte, wo du hin must?“ Aber damals hatte ich weder Licht noch Smartphone und erst recht keine GPS fähige Smartwatch…
KM 0 – Es geht los
Es ist soweit. Die GoPro ist montiert, der Herzfrequenz-Brustgurt angelegt, ich drücke den Start Knopf und rolle dem Brandenburger Tor entgegen. Dabei schaue ich fasziniert auf das Display meiner Uhr und verfolge den kleinen Pfeil, der auf einer grünen Linie meine Position angibt. Nur nicht zu schnell beginnen, ermahne ich mich. Du sitzt heute noch lang genug auf dem Rad. Ich umfahre Rikschas, niederländische Touristen auf Rental Bikes, weiche asiatischen Fußgängern auf dem Radweg aus und lasse Potsdamer Platz und Nationalgalerie rechts liegen. Berlin bei Nacht ist einfach unglaublich toll. Weiter geht es Richtung Charlottenburg, als ich eine Gruppe Fixie-Fahrer vor mir entdecke. „Die Jungs schnappe ich mir“ denke ich noch – doch Fēnix belehrt mich eines Besseren. Kurz bevor ich aufschließe, ermahnt mich die Uhr zur Disziplin. Ich hätte rechts abbiegen müssen und nun vibriert das Teil, da ich die Route verlassen habe. Verdammt. Ich wende also und folge brav den Befehlen meine kleinen Guides: Am Zoo vorbei und weiter gen Osten.
Kurz vor Spandau biege ich ab Richtung. Eine tolle, kurvenreiche Strecke – wenn man denn eine Gangschaltung hätte. Die „leichten Anstiege“ sind jedoch im Augenblick nicht mein größtes Problem. Hier endet die Zivilisation samt Straßenbeleuchtung und das Licht meiner Foglights reicht grade mal aus, um gesehen zu werden, jedoch nicht, um mit diesem Tempo durch den Wald zu heizen. Ich muss also anhalten und mit einer Headlight auf dem Kopf und einer weiteren in der Hand die Strecke fortzusetzen. Ich sage euch, bergauf macht das mit meinem Singlespeed wirklich keinen Spaß – und bergab kann ich auch nicht laufen lassen, da a) meine Beleuchtung zu schlecht und b) nur eine freie Hand zum Bremsen eher suboptimal ist, sollte mit 45 Sachen ein Fuchs oder ein Wildschwein vor dem Lenker auftauchen. Nach einem weiteren Anstieg vibriert die Uhr erneut. Diesmal kritisiert Fēnix nicht das Abweichen des Kurses sondern meinen zu hohen Puls. Ich hingegen bin einfach nur froh, dass mir endlich wieder warm ist. Sobald ich aus dem Wald raus fahre, werde ich mir meine zweite Jacke anziehen müssen.
KM 48 – Ich bin ein Amateur
Die ersten innerstädtischen Meter waren recht angenehm. In Dahlem und Zehlendorf freue ich mich über Straßenlaternen, in Stahnsdorf und Neubeeren über den guten Zustand des Belags. Zudem merke ich, wie sich der Zucker des Trinkpäckchens und Müsliriegels positiv auf meinen Körper auswirkt. Auch Fēnix scheint mit mir zufrieden und vibriert nicht mehr. Vor jeder Kreuzung werfe ich mittlerweile einen Blick auf das Display, um sicher zu gehen, dass ich hier im Nirgendwo bloß nicht von der Strecke abkomme. Und es ist kalt (um nicht zu sagen: verdammt kalt) und feucht. Eine lange Hose wäre cleverer gewesen! Die letzten 20 km bin ich vorrangig aufrecht sitzend und mit verschränkten Armen gefahren, um Oberkörper und Hände zu wärmen. Warum kann die Uhr nicht auch meinen Rucksack packen – inklusive Mütze und Handschuhe?! Stattdessen schleppe ich Spiegelreflex und GoPros durch eine Gegend, in der es zum Fotografieren ohnehin zu dunkel ist. Vielleicht hätte ich heute am frühen Abend mehr Zeit mit dem Packen des Rucksacks statt mit Burger-Grillen und Bier trinken im Park verbringen sollen. Nicht grade professionell, die Vorbereitung…
KM 76 – Kitt, ich brauch deine Hilfe
Ich sitze frierend am Bahnhof Ludwigsfelde und schreibe Katharina eine SMS, dass ich noch lebe. Mein Körper sagt mir allerdings, dass jetzt der Richtige Zeitpunkt wäre schlafen, zu gehen oder zumindest das Fahrrad gegen die S-Bahn einzutauschen. Meine Beine sind schlapp, der Hintern schmerzt und ich versuche mich zu motivieren, dass ich immerhin schon mehr als die Hälfte geschafft habe. Yeah, nur noch 50 km! Oh my God! Wie machen diese Ausdauersportler das nur? Jetzt würde ich gerne wie David Hasselhoff zu seiner Uhr sprechen und wissen, dass mir gleich geholfen wird! Mein aufregendes Micro Adventure entpuppt sich von Kilometer zu Kilometer als persönliche Höllentour. „Diese Strecke ist vor allem für ambitionierte Radsportler, die ihre Kondition und ihren Durchhaltewillen unter Beweis stellen möchten“. Wie Recht der Veranstalter des Velothon bei dieser Formulierung hat. Man gilt wohl noch nicht als ambitionierter Radfahrer, wenn man täglich 7min. zur Arbeit fährt, oder?! Egal, weiter geht´s – mit Turboboost bitte.
KM 99 – Yes, Tempelhof
Nach über vier Stunden in der außerstädtischen Dunkelheit bin zurück in Berlin. Selten habe ich mich so über ein Ortseingangsschild gefreut. Und jetzt das – Zwangspause, denn ich stehe vor den verschlossenen Toren des Tempelhofes Feldes. Eigentlich verläuft meine Route über das ehemalige Flughafengelände, doch das ist scheinbar nicht auf nächtlichen Besuch eingestellt. Fēnix verrät mir diesmal leider nicht, was ich machen soll, doch hier kenne ich mich aus und radle nun am Platz der Luftbrücke hinab und an der Columbia Halle vorbei weiter Richtung Berlin Mitte. Das Flughafengebäude scheint kein Ende zu nehmen – genau wie meine Exkursion. Je näher ich Kreuzberg komme desto mehr Nachtschwärmer torkeln mir entgegen. So werde ich wohl auch aussehen, wenn ich von diesem Höllengefährt steige.
KM 115 – Diese verdammte Uhr
Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem ich meinen kleinen digitalen Antreiber am liebsten vom Handgelenk reißen und in die Ecke schmeißen würde. Der Grund: Ich befand mich quasi schon auf dem Heimweg, auf meiner täglichen Strecke vom Mitte Richtung Prenzlauer Berg, als mich die Uhr nicht wie gewohnt nach rechts gen Heimat sondern nach links schickte. Doch damit nicht genug. Seid einer gefühlten Ewigkeit fahre ich nun durch Berlin Mitte – nur um die 122km der Velothon Strecke voll zu bekommen. Eines ist sicher: einen Schlussspurt von der Siegessäule Richtung Brandenburger Tor lege ich heute bestimmt nicht mehr ein!
KM 122 – got it!
Es ist vollbracht, ächzend und stöhnend steige ich vom Rad und drücke den »Stop« Knopf. Drei neue Rekorde meldet Fenix: Längste Distanz, Schnellste 40km, und den letzten Rekord habe ich vor Erschöpfung schon wieder vergessen. Eigebrannt hat sich mir jedoch die darauf folgende Anzeige, dass ich nun 18 Stunden Erholungszeit habe. Endlich mal eine sinnvolle Nachricht. Jetzt aber ab nach Hause – ohne einen weiteren Blick auf meinen digitalen Folterknecht: Fēnix, Fürst der Finsternis, Herrscher über Laktat und Pförtner zur Welt des Schmerzes.
Daheim unter der heißen Dusche reflektiere ich noch einmal die letzten 5 1/2 Stunden. Schon krass, was eine Uhr so alles kann und wie sie dabei hilft sich zu motivieren. Auch wenn ich die letzten Stunden vor Kälte zitternd, mit schmerzendem Hintern und tauben Gliedmaßen eher fluchend verbracht habe, werde ich gleich selig einschlafen und morgen mit einem Grinsen aufwachen. Ich habe es geschafft und es war bestimmt nicht die letzte Radtour dieser Art. Kommenden Sonntag werde ich gemütlich zur Zieleinfahrt des Velothons radeln, mich zu den anderen Zuschauern gesellen und denken “Oh ja, ich kenne eure Schmerzen!”
Ein großes Dankeschön an Garmin für das Ausrichten des Berliner Radrennens und die Bereitstellung des Testmaterials. Mehr Informationen zum Velothon Berlin und zur Fēnix 3 findet ihr auf www.garmin.com.
Fashionweek für Outdoorfreaks |
schrieb am[…] am Hut haben, gibt es ein letztes Schmankerl aus dem Hause Garmin. Erinnert Ihr euch noch an meine nächtliche Exkursion zum Auftakt des Berliner Velothons? Garmin entwickelt nicht nur moderne Foltergeräte wie Pulsuhren […]
A Sunday Micro Adventure |
schrieb am[…] wäre es mit Angeln im Morgengrauen an Brandenburgs Seen? Ein nächtlicher Bike-Trip durch Berlin…Ein Kurztrip an die Ostsee auf den Darß… Den Harz im Herbst erleben… Oder lieber […]
Velothon – Pain is for the moment |
schrieb am[…] ihr euch noch, vor exakt einem Jahr machte ich mich eines Nachts auf, um die Strecke des Berliner Velothons abzufahren. Damals brachten mich die 120km Strecke und mein digitaler Begleiter und Folterknecht, […]
Skiteufel Gastein – Winterauftakt |
schrieb am[…] Ein Tool aus dem Hause Garmin ist wieder einmal der Grund für diese Pein. Erinnert ihr euch an Fennex, Fürst der Finsternis, Herrscher des Laktats… Genauso erschöpft wie nach meinem damaligen Micro Adventure mit dem kleinen Teufelsbraten bin […]