Mit Gegenwind zur Sonneninsel
Es ist Hochsommer und die Stadt glüht. Also ab an den See oder auf zu fernen Küsten! Das Problem ist jedoch, dass ALLE an die Ostsee »düsen« und trotz klimatisierter Autos der nicht enden wollende Stau zur echten »Wutprobe« wird. Sollte so ein Wochenende nicht stressfrei und erholsam sein?! Eine Alternative musste her!
Auf zu Berlins Badewanne
„Die Hauptstadt Berlin, Usedom die Ostsee-Ferieninsel und dazwischen weite Wiesen und ausgedehnte Waldgebiete, seltene Tiere, Seen und Flüsse, historische Orte mit alten Kirchen und Menschen, die sich auf Sie freuen. All das erwartet Sie auf dem Berlin-Usedom Radfernweg – ob Sie nun als Radfahrer genießen wollen oder die sportliche Herausforderung suchen.“ So heißt es auf einer der vielen Websites zu besagter Strecke. Nicht übel, dachte ich mir – und wer unseren Blog schon eine Weile verfolgt der weiß, dass ich es genüsslich angegangen bin… Not!
Folgt man strikt den Schildern des Radwegs von Berlin nach Usedom, hat man eine Strecke von 337 km zu bewältigen. Wer jedoch abkürzt und keine Bundesstraßen scheut, kann die Distanz auf 220 km verringern. Durchaus machbar an einem einzigen Tag – das bestätigt unter anderem auch ein Tourenanbieter mit dem verheißungsvollen Namen www.quaeldich.de. Wenn die das können, kann ich das auch! Also machte ich mich zusammen mit Teamkollege Martin am Samstagmorgen auf den Weg zu »Berlins Badewanne«.
Der frühe Vogel
Bei angesagten Tageshöchstwerten von über 30°C empfahl es sich, möglichst früh zu starten. Im “Bonjour” noch schnell ein Croissant zum Mitnehmen, dann ging die Reise los. Zur aufgehenden Sonne führte uns der Radweg raus aus dem Prenzlauer Berg über Berlin Buch Richtung Wandlitz ins …Nichts. Durch Schrebergärten, über Sandwege und Holperstraßen folgten wir unserem Bauchgefühl und kamen tatsächlich irgendwann zurück auf Asphalt, um endlich Meter zu machen.
Um diese Uhrzeit schlafen normale Menschen am Wochenende, so dass wir die Bundesstraße fast für uns allein hatten. FAST! Einer war schon sehr wach! Wer ab und an mal im Sattel sitzt, der weiß, dass der größte Feind nicht der Berg, sondern der Wind ist. Uns sollte dieser stille Bastard die nächsten 12 Stunden mehr oder weniger sanft entgegen blasen.
Ein Mann, ein Gang
Die wechselnden Landschaften entlang der Strecke haben eines gemeinsam: Sie sind alle dünn besiedelt. Wir radelten also durch Felder, Wälder, vorbei an Seen, kamen durch abgelegene Dörfer und bestaunten echte Originale bei unserem Ritt durch Brandenburg. Zeitweise schien wirklich die Zeit stehengeblieben zu sei. Für Großstädter ist das alles herrlich ruhig und entschleunigt … hier leben will man aber dann doch nicht.
“Früher hatten die Fahrräder auch keine Gangschaltung” redete ich mir immer wieder ein, als wir die hügelige Uckermark durchquerten. Zum ersten Mal wünschte ich mir wirklich, wirklich eine Gangschaltung. Oder ein E-Bike. Mein Drahtesel knarzte und knackte (die Jungs vom Bikeshop meinten, dass das Tretlager hinüber, beide Ritze völlig runter und die Kette nicht mehr die jüngste sei, es aber wohl halten sollte…). Ich stöhnte und ächzte, Martin strampelte und schwitzte, doch irgendwie meisterten wir auch diesen schweißtreibenden Abschnitt des Berlin-Usedom Radwegs und näherten peu a peu der Ostseeküste.
Hallo? Sonneninsel?
Ist nicht immer die Reden von Usedom “die Sonneninsel”, fragten wir uns als zum Nachmittag der Wind auffrischte und dunkle Wolken am Himmel erschienen. Der Radweg führte uns im Zickzack durch gefühlt ALLE küstennahen Dörfer, wir verpassten knapp die Fähre von Kamp nach Karnin, mussten notgedrungen auf die nächste warten und der Plan, am Strand zu übernachten (auf ein Zelt verzichteten wir, um Gewicht zu sparen), fiel mit dem einsetzenden Regen auch noch ins Wasser. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon über 180km in den Beinen, der Hintern schmerzte und selbst Schokolade half nur bedingt, die Laune aufrecht zu erhalten. Zwei Stunden später war die Welt jedoch schon wieder in Ordnung. Nach ausgiebiger heißer Dusche im Hafen, Fischsuppe, Grillteller und Usedomer Inselaquavit grinsten wir selig und stolz, dass wir es trotz Gegenwind bis nach Usedom geschafft hatten. Zugegeben, unser Notlager für die Nacht war nicht grade luxuriös, aber Sonnenschein am Folgetag, Sand unter den Füßen und ein Frühstück mit Meerblick lässt alle Strapazen des Vortages verblassen. Zumindest beinahe…
Wer sein Fahrrad liebt…
…der schiebt. Oder fährt mit der Bahn. Wir tauschten die Radler gegen eine Badehose und chillten den Tag mit vielen Kevins und Mandys am überfüllten Strand von Heringsdorf, um nachmittags gemütlich mit Regionalexpress – in einem Drittel der Zeit – zurück nach Berlin zu fahren (dank Wochenendticket kostet die Strecke für zwei Personen inkl. Räder nur 55,- EUR. Ein fairer Deal in unseren Augen.). Kein spürbarer Gegenwind mehr. Kein schmerzender Hintern. Möglicherweise ist das Reisen im Zug die bequemere Variante, um zwischen Berlin und Usedom zu reisen. Es ist aber auch die stressigere. Zumindest dann, wenn zu viele Menschen mit Rädern nach einem sonnigen Tag am See den Rückweg in die Stadt antreten. Dann doch lieber radeln, stressfrei und an der frischen Luft. Nächstes Ziel: Berlin – Rügen!
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