Davos – verwandte Seelen am Hang
Es soll Menschen geben, die dort Urlaub machen, wo es besonders kalt ist und wo es gleichzeitig möglichst viel Niederschlag gibt. Sie haben sogar Apps auf ihren Smartphones, die ihnen Push-Nachrichten schicken, wenn sich richtig was zusammenbraut. Sie freuen sich, wenn es tagelang schneit »Yeah. Powder-Alarm!« und beklagen sich, wenn dann doch mal die Sonne raus kommt.
In ihren Augen hat die Sonne häufig viel zu viel Kraft. Noch schlimmer ist es, wenn ein warmes Lüftchen weht. »Oh no – Fön!«. Die Rede ist nicht vom klassischen Skifahrer oder Snowboarder. Die Rede ist vom Freerider. Ich hatte das Glück, mit einer Gruppe solcher tiefschneeverrückter Powder-Junkies die Berge des Kurorts Davos unsicher zu machen. Eine Woche unter Gleichgesinnten, eine Woche unter Frühaufstehern, eine Woche ohne Après-Ski Hits. Eine tolle Woche in den Schweizer Alpen.
Während des Studiums habe ich in den Semesterferien für Gruppenreise-Veranstalter und als Skilehrer gearbeitet. Dieses Mal bin ich Gast – und sehr gespannt, wie sich das anfühlt. Keinen morgendlichen Küchendienst, keinen abendlichen Bardienst. Einfach nur Urlaub, oooyeah. Das Haus ist super zentral im Ort gelegen, nur wenige Meter vom Einstieg ins Gebiet. Und die Woche startet vielversprechend: Es schneit in Davos, und zwar nicht zu knapp. Während der obligatorischen Skigebietseinführung mit einer Gruppe von ca. zehn Leuten wird recht schnell klar: Die einen haben Spaß, die anderen eher weniger. Die einen jauchzen vor Freude über den Pulverschnee, die anderen wünschen sich bei Nebel, Schneefall und Wind lieber eine heiße Schokolade… Oder gleich zurück ins Tal und ab in die Sauna. Ich freue mich, denn die Grinsebacken aus meiner Gruppe werden nicht nur heute, sondern auch die kommenden Tage meine Weggefährten sein. Wir alle haben das gleiche “Actionpaket” gebucht: Das Freeride-Camp. Wir tauschen uns aus, fachsimpeln über unser Material, freuen uns über den Schnee und sind gespannt, wie die kommenden Tage zusammen mit dem lokalen Guide verlaufen werden. Natürlich wird auch über das Wetter gesprochen: Es soll sonniger werden. Und deutlich wärmer. Oh no…
DER KLEINE UNTERSCHIED
Was genau ist ein Freerider? Ich sag mal so: Während der »Normalo« sich freut, wenn die Pisten schön breit und glatt gewalzt sind, bevorzugt der Freerider steile, teilweise mit Felsen durchsetzte Hänge oder Tiefschneeabfahrten durch Waldschneisen. Während reguläre Wintersportler zuweilen lange in Luftschlangen ausharren, gehen Freerider den Berg lieber zu Fuß hinauf… Wenn alle anderen den Skihasen auf der Piste nachschauen, checken wir die Hänge neben der Piste auf Lage, Neigung, Wechten, Verwehungen, Fischmäuler, ob sie befahren werden können oder ob das Risiko zu hoch ist.
Häufig werde ich gefragt, warum wir Freerider eigentlich permanent die Piste verlassen müssen. Ob man den Nervenkitzel sucht und sich deshalb den alpinen Gefahren wie Lawinenabgängen bewusst aussetzt. Ob man Profilierungsdruck hat, oder was mit einem los ist. Meine Antwort: Freerider sind Romantiker, Naturliebhaber und Genussmenschen – keine lebensmüden Draufgänger. Es macht einfach mehr Spaß, in einem natürlichen Gelände auf einer fluffigen Auflage zu fahren, als über eine vereiste Kunstschneepiste zu brettern. Ich bevorzuge auch sonst eher kleine, landschaftlich reizvolle Straßen gegenüber schnellen Autobahnen, ich liege lieber an einsamen Stränden als am Ballermann. Und ich fahre lieber durch Wälder oder steile Hänge hinab als »Human Slalom« auf der Piste. Es ist nicht so, dass ich das Pistefahren verabscheue. Im Gegenteil. Wenn sich jedoch die Chance ergibt, diese zu verlassen, nutze ich sie, wann immer es geht. Warum ich ins Gelände fahre? Weil ich die Berge erleben will.
BERGZIEGE CHRISTIAN
Wer abseits fährt, muss das Gelände kennen. Unsere Gruppe wird daher von Guide Christian von InAndOut angeführt. Der ehemalige K2-Teamrider, Skilehrer und Wahl-Davoser ist leidenschaftlicher Freerider. Er düst mit uns durch dichte Wälder, überquert zugeschneite Weiden und zugefrorene Bachbetten oder auch mal Eisenbahngleise. »Egal wo, Hauptsache der Schnee ist cool und ihr habt Spaß!“ Oh ja, den haben wir.
Wer den ganzen Berg als Spielwiese nutzt, hat deutlich mehr Freiraum – und kommt dabei in Ecken des Gebiets, die anderen Skifahrern vorenthalten bleiben. Dabei gibt es rund um Davos (übrigens das höchstgelegenste Städtchen Europas) und dem beschaulicheren Nachbarort Klosters richtig viele Pistenkilometer und in den fünf Teil-Skigebieten eigentlich ausreichend Platz, um sich auch dort auszutoben. Wer übrigens ohne Guide unterwegs ist, dem sei das Pischa Gebiet ans Herz gelegt. Auf diesem Berg wird gar nicht präpariert und es gibt genügend Platz für risikofreie Runs.
Christian ist genau der richtige Mann für unsere kleine Gruppe. Auch bei bescheidenen Bedingungen – es ist an zwei Tagen einfach zu warm – gibt er nie auf, doch noch einen (sicheren) Abstecher ins Gelände mit uns zu wagen. Er nutzt die Zeit, um uns zu erklären, wie die Schneedecke aufgebaut ist, wie wir mit dem LVS Equipment umzugehen haben und was wir fahrtechnisch noch verbessern können. Mit seinem breiten Grinsen, Dreadlocks, sonnengebräunten Gesicht und dem immer währenden Wunsch, sich so weit wie möglich weg von touristischen Massen zu bewegen (im Winter auf Skiern, im Sommer auf dem Mountainbike), ist er eine original Schweizer Bergziege.
MEIN NEUES LIEBLINGSTIER
In vielen alten Kulturen hält man Menschen und Tiere für Seelenverwandte. Ob es wirklich Tiere gibt, denen menschliche Seelen innewohnen oder die eine Kraft verkörpern, um mit uns Menschen in Verbindung zu treten? Who knows! Eines ist jedoch sicher: Auch der Nicht-Schamane freut sich trotzdem darüber, wenn er ein Tier entdeckt, mit dem er Gemeinsamkeiten hat. Surfer stehen auf Delphine, Nerds erfreuen sich an Eulen, Kampfsportlehrer mögen wohl eher Tiger. Ich dachte bisher immer, dass Bären meine Seelenverwandten seien. Zum einen sind es kraftvolle Einzelgänger, die durch tiefe Wälder streifen, zum anderen sind es aber auch Genießer und Leckermäuler, die bei der Futterbeschaffung – ob Honig oder Picknickkörbe – extrem kreativ sind (ha ha). Langer Winterschlaf und ein Hang zum Übergewicht sind auch eher sympathisch. In den verschneiten Bergen rund um Davos habe ich in den Felsen aber ein Tier gesehen, das mir auf Anhieb ähnlich sympathisch war. Die Rede ist vom Wappentier Graubündens: Der Steinbock.
Für Christian sind Steinböcke nichts Besonderes mehr. Er hat das Glück sie an nahezu jedem Arbeitstag zu beobachten (by the way, Freerideguide ist nicht der schlechteste Job out of office). Vielleicht werde ich das Grafikdesign eines Tages an den Nagel hängen und das Büro doch noch gegen den Berg eintauschen…
Zugegeben, Gruppenreisen sind nicht jedermanns Sache. Auch ich ziehe es häufig vor, meine kostbare Zeit Out Of Office individuell zu gestalten. Wer jedoch mit Skiern ins Gelände will, muss entweder sehr erfahren sein, oder sich einer Gruppe anschließen. Und wer mit einem Partner reist, der lieber auf der Piste unterwegs ist (oder erst mit dem Skifahren beginnt), dem sei eine Gruppenreise wärmstens empfohlen. Eigenes Tempo, eigene Geschwindigkeit, eigene Vorlieben – und den Nachmittag und Abend verbringt man dann wieder gemeinsam. Katharina und ich waren mit Frosch Reisen in Davos unterwegs und wir hatten beide eine super Woche, jeder nach seinem Geschmack!
Wir bedanken uns bei Frosch Sportreisen für die Einladung in die Schweiz. Mehr Infos findet ihr auf www.frosch-sportreisen.de.
Dieser Artikel beruht auf einer Kooperation, spiegelt redaktionell aber uneingeschränkt unsere freie Meinung wieder.
Seitenschwung in Davos – Learn to Ski |
schrieb am[…] Henryk in dieser Woche in Davos so getrieben (außer mich zu fotografieren) – das könnt ihr in diesem Artikel […]