The Desperate Traveler
Morgens, halb acht, Solana Beach, OC California: Ich jogge bei strahlendem Sonnenschein und blauen Himmel entlang der wunderschönen Pazifikküste. Zugegeben, das klingt mehr als lässig – ist es auch! Die Wellen rauschen, erste Surfer paddeln im Wasser und gut gebräunte Hausfrauen mit Gucci Sonnenbrillen kommen mir mit ihren Golden Retrievern und einem XXL-Becher Café Latte mit fettfreier Sojamilch in der Hand entgegen. Kalifornisches Klischee in Reinform – und … leider geil!
Willkommen in Solana Beach, O.C. California
Alles, aber auch wirklich alles in Solana Beach, ist so, wie man es aus den stereotypen U.S. Prime-Time Serien kennt. Eine schicke Villa mit Meerblick reiht sich an die nächste, entlang einer Allee aus Palmen. Vor jedem Haus stehen mindestens zwei dicke Autos, gerne ein SUV und ein Pick-Up mit verdunkelten Scheiben. In den Vorgärten mit akkurat geschnittenem Rasen lehnen Surfbretter auf den Veranden, vor der Garage hängt der obligatorische Basketball-Korb. Die Tageszeitung liegt in der Einfahrt – wahrscheinlich in der Früh von einem fleißigen Schuljungen auf seinem Fahrrad dorthin geworfen. Ein gelber Bus biegt um de Ecke, um die Kids einzusammeln … Willkommen in einer perfekten Welt!?
Verweilen … oder beeilen?
Ich jogge also durch dieses amerikanische Vorstadt-Paradies und frage mich auf einmal, wie es wäre, hier zu bleiben. Ich als lässiges kalifornisches Surfer Girl? Vor der Arbeit noch eine Runde Wellenreiten, am Abend BBQ auf dem riesigen Weber-Grill mit Freunden im Garten unserer kleinen Strand-Villa?
Dann kommen mir wieder die Hausfrauen in den Sinn, die mir eben noch mit ihren Hunden entgegen gekommen sind – vielleicht wäre ich am Ende auch eine gelangweilte, amerikanische Vorstadt-Mutti, die am Vormittag mit dem Personal Trainer “den Body shaped” und am Nachmittag mit den Freundinnen gemeinsam ins Nagelstudio geht, oder zum Spray-Tannen oder zum Zähne bleachen …
Ich schüttle mich, bei diesem Gedanken. Und dennoch – da ist etwas, das mich darüber nachdenken lässt, zu verweilen…
Ich stelle fest: Nach beinahe vier Monaten auf Weltreise mit ständig wechselnden Unterkünften spüre ich hier in Kalifornien zum ersten Mal eine Sehnsucht aufsteigen: Die Sehnsucht nach Alltag, nach Beschaulichkeit, nach einem Platz zum Bleiben. Und zwar im besten Fall, ein schicker, sonniger Platz wie dieser hier. Hilfe, das Serien-Idyll hat mich kalt erwischt. Und sogleich beginne ich, die Welt verklärt zu betrachten:
Wann bin ich das letzte mal ins Auto gestiegen, um den Wocheneinkauf zu machen?
(Ich mache nie einen Wocheneinkauf mit Auto, in Berlin fährt man Rad und kauft eben das nötigste!)
Wann wurde im Garten das letzte mal der Grill angeschmissen?
(Welcher Garten – wir grillen auf dem Einweggrill im Volkspark!)
Wann hatte ich überhaupt das letzte mal ein Gefühl von “zu Hause”…?
In diesem Moment biegt Henryk um die Ecke (er war mal wieder schneller unterwegs und ist vorgelaufen) und ich erwache aus meinem beginnenden Kalifornien-Traum(a). Wo mein zu Hause ist? Bei ihm natürlich! Egal, ob in Berlin oder unterwegs in der Welt! Viel wichtiger als die Frage, wo man sich wohl fühlt ist doch, mit wem man sich wohl fühlt!
Mit dieser wieder gewonnenen Klarheit schüttele ich mein kurzfristiges “Verweile-Weh” erfolgreich ab und kehre zur Freude am Unterwegs-sein zurück! Noch ein letztes Mal betrachte ich Solana Beach mit dieser gelebten amerikanischen Perfektion – und der nicht zu leugnenden Oberflächlichkeit. Fest steht, dieser Ort hat etwas, das einen träumen lässt – von einer heilen, beschaulichen Welt. OC California, du machst es einem leicht, sich in dich zu verlieben.
Bis bald!
IngeLein
schrieb amIch WILL diesen Wohnwagen da auf dem Bild oben!
…und zu Hause „sein“ ist eben nur ein Gefühl, ihr kleinen Wandernomaden!
Das geht vorrüber, wie alle anderen Gefühle auch…hahaha..es sei denn, man hat die Kunst der richtigen „Ernährung“ gefunden, und nährt die guten Gefühle stetig …
Dazu gehört wohl auch mal n bissel surfen am Morgen, Grillen am Abend…Longboarden nich vergessen, lieber Henryk…und MENSCHEN (hin und wieder)
Aber ist es nicht so?Kaum bist Du länger an einem Ort, entstehen die gleichen Strukturen, wie „zu Hause“ auch…Arbeit, Freizeit, Kollegen, Freunde…derselbe Trott…und dennoch ist es Deine Entscheidung, beim Zähne bleachen mitzumachen oder eben Dein eigenes Ding zu kreieren…in diesem Fall bin ich für Anhalten – Anschauen – Mitfühlen – Mitmachen – Nochmalfühlen – Weitergehen !!! Und wieder von vorne…
Also, immer schön in Bewegung bleiben…weiter an den „ultimativen Momenten“ feilen…Stillstand is doch quatsch…die Erde dreht sich und rast mit uns durch Zeit und Raum…unwiederbringlich läuft die Zeit, also bleiben später nur die ach so wertvollen Erinnerungen an das Gewesene…also, in diesem „Sinne“…saugt weiter die Herrlichkeiten dieser Welt in Euch auf…
In Gedanken bin ich bei Euch und sende fröhliche „Traveller-Grüße“
Der Weltenbummler ;-))
Ingo
Eine ganz besondere Reise… |
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