Bähnli-Safari mit dem Sohn
Als mich unser Sohn Henryk einlud zu einer 3-Tage-Wanderung in den Schweizer Zentralalpen, die sogenannte Buiräbähnli-Safari rund um Engelberg, hatte ich Herzklopfen vor Vorfreude – und Skepsis. Würde ich mir damit nicht zu viel an Anstrengungen zumuten?
Die Vorfreude jedoch überwog auf dieses Abenteuer. Die Aufregung allerdings war schon drei Wochen vorher immer präsent. Wanderungen zwischen 150 und 400 Höhenmeter, wie bei uns daheim im Bergischen Land, spielen sicher in einer anderen Liga, als Bergtouren zwischen 1.000 und 2.200 m in den Alpen!
Es geht los
Als wir an unserem ersten Wandertag vom Schweizerischen Engelberg aus starten, können wir die Bergkulisse der 3.000er rund um den hübschen Bergort hinter dicken Regenwolken nur erahnen. Der leichte Nieselregen jedoch kann unsere Neugier und gute Stimmung nicht vermiesen. Ohne Fernsicht öffnet sich der Blick umso mehr für die kleinen Wunder rechts und links des Pfades: Für die unzähligen Blumenarten und blühenden Wildkräuter in fein auf einander abgestimmten Farbschattierungen; für die natürlichen Treppenstufen aus Wurzeln und Steinen, die unseren Wanderschuhen auf dem feuchten Boden Trittsicherheit bieten. Es öffnet sich das Herz für die grandiose und so perfekte Natur mit ihren wilden Bächen, die sich zwischen Geröll und Blumenwiesen ins Tal stürzen. Angenehm zu wandernde Wege wechseln sich ab mit steilen Bergpfaden, durch Wald und Wiesen.
Die friedlichen, zutraulichen Schafe und Kühe mit ihrem meditativen Kuhglockengeläut, suchen immer wieder Kontakt zu uns; und geben kurz danach bereitwillig den Weg wieder frei.
Nach den anstrengenden Aufstiegen bieten die nostalgischen „Buiräbähnli“-Fahrten eine ungewöhnliche, willkommene Abwechslung. Wie in der Tourenbeschreibung angegeben, erreichen wir mit unserer letzten Bähnlifahrt um 17.oo Uhr unsere erste Übernachtungshütte in Brändlen. Unsere Schuhe sind patschnass, die Regenkleidung tropft, wir sind zwar geschafft, hätten aber durchaus noch weiter „matschschieren“ können. Unsere Belohnung ist die sehr liebevoll eingerichtete Brändlenhütte, eine mit Holz geheizte, warme Stube, bequeme Betten und eine sehr sympathische, aufmerksame Hüttenwirtin mit viel Sinn für ein hübsches Ambiente und schmackhaftes, gesundes Essen. Einen „sanften Tourismus“ zu pflegen, ist ihr ein wichtiges Anliegen!
Es geht hoch hinaus
Die geruhsame Nacht und ein ausgiebiges Frühstück bilden ein gutes Fundament für unseren zweiten Wandertag mit anstrengenden Steigungen und voraussichtlich 1.000 Höhenmetern, die erst einmal geschafft sein wollen. Dank der warmen Hütte über Nacht ist unsere Wanderkleidung am nächsten Morgen trocken und, oh Wunder, Füße, Knie, Muskeln wollen durchaus wieder steigen und laufen. Nichts tut weh! Ich bin begeistert! Draußen ist es nebelig aber trocken, die Temperatur ist angenehm zum Wandern und laut Vorhersage soll es immer besser werden. Wieder bezaubern uns die traumhaft schönen Blumenwiesen und die vom himmlischen Gärtner perfekt angelegten Steingärten zwischen den Felsen.
Es geht kontinuierlich nach oben. Bei meinem „Senioren-Bergwandern“ ist jetzt hilfreich, was der Kopf sagt: „Komm, diesen Berg schaffst du auch noch“! Und siehe da, die nächste und die übernächste Steigung ist zwar jedes Mal eine Herausforderung, die aber stolz macht und einen locker weiterlaufen lässt. Eine wunderbare Mischung aus Staunen über die grandiose Natur und das Hineinfühlen in meinen Körper, machen einfach glücklich! Dabei habe ich allerdings auch das große Glück, dass mein Gepäck im Rucksack von Henryk aufgehoben ist und ich nur den „leichten Proviant-Rucksack“ trage.
Zu unserer Linken ist noch immer nichts zu sehen, rechts reißt die Wolkendecke jedoch immer häufiger auf und gibt Ausblicke auf die beeindruckende Bergwelt frei.
Nach einem etwas mühsamen, langen Zickzackweg bergab bin ich ganz froh, dass wir zur Chruizhütte wieder bergaufsteigen dürfen. Wieder erreichen wir unsere zweite Übernachtungshütte gegen 17.oo Uhr; und wieder haben wir den Bettenlagerschlafraum mit guten Matratzen und warmen Decken ganz für uns allein. Unsere nette Wirtin vom Vortag ist auch hier zuständig; kommt eigens für uns mit dem „Buiräbähnli“ und zwei großen Proviantkörben hochgefahren und verhilft uns freundlich zu einer warmen Dusche und einer frisch zubereiteten, sehr leckeren Abendmahlzeit mit gebratenen Polenta-Scheiben und dem köstlichen Bio-Fleisch der eigenen „Dexter-Rinder“, die hier oben die schmackhaften Kräuter der Hochalmen abgrasen dürfen. Für unser Frühstück am nächsten Morgen überlässt sie uns einen gut gefüllten Frühstückskorb, frisch gehobelten Käse, Almbutter, … alles liebevoll mit Alpenblüten dekoriert.
Es geht weiter – auf dem Walenpfad nach Engelberg
Der dritte Wandertag erwartet uns mit strahlendblauem Himmel, fast Wolkenlos, und grandioser Fernsicht. Frühstück im Freien, Blick auf die Bergmassive, sanftes Kuhglockengeläut. Und wieder fühle ich mich fit; nichts tut weh und der Morgen ist so traumhaft schön! Jetzt beginnt der sicherlich schönste Teil unserer Safari, der Walenpfad. An einem Bergsee führt uns der Weg vorbei und hinauf auf eine Anhöhe mit fast unwirklich schöner Aussicht: Zur einen Seite wandert der Blick zurück, tief hinunter zu dem blauen Nass, den Kuhweiden und blühenden Wiesen. Zur anderen Seite, weit in die Landschaft hinein, können wir in der Ferne den Vierwaldstätter See erahnen; und nicht zuletzt zieht es den Blick hoch hinauf zu den bizarr-steilen Felsmassiven, die uns ganz klein und still werden lassen. Zur absoluten Abrundung dieser wunderbaren Morgenstimmung wehen aus der Ferne Alphornklänge als Morgenlob zu uns in die Höh. Dankbar und ehrfürchtig nehmen wir so viel Schönheit in uns auf!
Dieser dritte Wandertag ist wirklich das absolute Highlight dieser schönen Wandertour. Hier treffen wir auch, im Gegensatz zu den vorausgegangenen Tagen, auf die ich im Übrigen auf keinen Fall verzichten möchte, häufiger auf andere Wanderer, die sich als Tagestour dieses Sahnestück herausgesucht haben. Auch wenn man, wie ich, schon 70+ ist und sich fit fühlt, kann ich diese „Buiräbähnli-Safari“ als 3-Tages-Tour, von Herzen empfehlen. Gerade die Mischung aus Anstrengung und Hochgenuss macht den Reiz aus.
Ich war am Ende der Wanderung nicht erleichtert, sondern fast ein bisschen traurig, dass die Tage in dieser eindrucksvollen Umgebung von Engelberg Titlis zu Ende gingen. Danke, Henryk, dass Du mich auf diese schöne Safari mitgenommen hast!
Wie es Henryk bei dem Mehrgenationen-Wandertrip mit seiner Mutter ergangen ist, erfahrt ihr in den nächsten Tagen hier auf dem Blog. Eines sei schon vorab verraten: Er ist mächtig stolz und freut sich schon jetzt auf die nächste gemeinsame Tour mit der Mama!