Sprachlos in Ronno
Eine Reise lebt nicht allein von dem, was du erlebst, sondern vor allem davon, wen du triffst. Manch eine Begegnung hinterlässt so ihre Spuren – auch im Herzen.
Unser (Erfahrungs-)Schatz an Geschichten aus Frankreich ist zuletzt stetig gewachsen. Zwei Jahre in Folge durften wir das Land mit all seinen Facetten entdecken und dabei eine ganze Menge Spaß und Action in der Natur erleben, gut essen, leckere Weine genießen – und immer wieder die Gastfreundschaft vieler wunderbarer Menschen erleben. Die meisten dieser Geschichten haben wir euch bereits erzählt. Nicht aber die von unserem Besuch bei Alain Dessablons im vergangenen Frühsommer am Lac des Sapins.
Es ist eine Geschichte über die Liebe zur Natur und zum Sport. Und auch eine Lehrstück darüber, dass es nicht unbedingt vieler Worte bedarf, um sich zu verstehen – Sprachlosigkeit aber auch zu Missverständnissen führen kann. Doch fangen wir von vorne an…
Familienbande
Unterwegs auf Reisen sucht der findige Individualtourist ja gerne das Authentische, das Unentdeckte, das echte, lokale Leben. In Ronno in der Region Beaujolais Vert haben wir genau das gefunden! Denn rund den Lac des Sapins ist der (internationale) Tourismus bisher wenig bis gar nicht ausgeprägt. Die Gegend ist vor allem bei französischen Familien beliebt, die Urlaub im eigenen Land machen und dort den Sommer in Ferienhäusern, privaten Pensionen oder auf dem Campingplatz verbringen. Hotels sucht man vor Ort vergebens. Und gesprochen wird vor allem Französisch. Ausschließlich! Oder zumindest fast.
Ob unsere rudimentären Sprachkenntnisse da ausreichen würden? Sagen wir mal so: Wir waren stets bemüht! Bereits bei der Ankunft in unserer privaten Pension Aux 3 Sapins mussten wir die letzten Erinnerungen an drei Jahre Schulfranzösisch zusammenkratzen – doch mit Händen und Füßen und unter der Voraussetzung, dass wir in etwa ahnten, was uns unsere Gastgeber Gérard und Nicole wohl so zeigen und erklären wollten, klappte die Verständigung doch einigermaßen gut. Sogar so gut, dass Nicole uns gleich auch zu ihrer Geburtstagsfeier am Abend einlud. Wir mussten jedoch dankend ablehnen, da wir bereits verabredet waren…
Da bis dahin aber noch etwas Zeit war, genossen wir erst einmal den sonnigen Nachmittag im Garten unserer Gastgeber!
In guter Gesellschaft
Alain Dessablons, rüstiger Triathlet aus Leidenschaft und Botschafter der Region, hatte sich Verstärkung mitgebracht, als er uns später am Abend abholte. An seiner Seite: Corinne, Vertreterin des Beaujolais Vert sowie Violaine vom lokalen Tourismusverband – die einzige, die ein wenig Englisch sprach.
Unser Treffen verlief dann in etwa so: Eine Frage auf Englisch gefolgt von ratlosen Gesichtern, eine Antwort auf Französisch gefolgt von ratlosen Gesichter. Oder anders herum. Dazwischen Violaine, die stets versuchte, nach besten Wissen und Gewissen zu übersetzen. Und dazu: viel Lachen, viel Gestikulieren, viele „Aha-Momente“ und keine Minute das Gefühl, sich nicht zu verstehen. Kurz … es war ein toller, ausgesprochen lustiger und geselliger Abend. Garniert wurde das Ganze von einem vorzüglichen Dinner (ich musste mit Verweis auf den Nachwuchs – damals noch in meinem Bauch – mehr als einmal wiederholen, dass ich wirklich keinen Wein möchte, auch nicht ein kleines Gläschen) und einem unfassbar kitschigen Sonnenuntergang. Der Auftakt in Ronno war schon mal gelungen!
Zu Land, zu Wasser und auf dem Bock…
Was wir an diesem ersten gemeinsamen Abend (trotz Sprachbarriere) schon heraushören konnten und was sich am folgenden Tag noch bestätigte sollte, war, dass Alain Dessablons zu der Art Menschen gehört, die ihrer Passion stets ausreichend Platz im Leben einräumen und damit nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch dass vieler anderer bereichern. Schon immer liebte er die Natur und den Sport. Seine besondere Leidenschaft gilt dem Mountainbiken, dem Trailrunning, Triathlon, Wanderungen… Seit über 20 Jahren nun fördert er eben jene Sportarten in der Region Ronno durch sein Engagement beim Office de Tourisme. Heute ist er 63 Jahre und noch immer fit wie ein Turnschuh – das bekamen wir bei unserem ganz persönlichen Ronno Triathlon am eigenen Leib zu spüren…
Es sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass Alain vor seiner Zeit im Office de Tourisme Berufssoldat war. Alles klar…?! Ich durfte glücklicherweise den Schwangeren-Trumpf ausspielen und musste lediglich die Light-Version des Wettkampfs auf mich nehmen, Henryk jedoch wurde richtig herausgefordert. Mit den E-Mountainbikes ging es erst einmal querfeldein durch die Wälder, Täler und auf die Anhöhen rund um den Lac des Sapin, gefolgt von einer ordentlichen Laufeinheit, bevor es hieß, ins kühle Nass des Sees einzutauchen. Immer mit dabei: die tapfere Violaine in ihrer Funktion als Übersetzerin.
Nach der schweißtreibenden Einheit hatten wir uns die Pause im Anschluss redlich verdient und landeten – wie könnte es anders sein – wieder gemeinsam an einem Tisch, bei einer zünftigen französischen Mahlzeit mit viel zu viel Wein (bzw. Wasser) und noch viel mehr lustigen Anekdoten in der zauberhaften Auberge Paysanne La Voisinée direkt am See. Dass wir eigentlich gar nicht die gleiche Sprache sprachen, hatten wir alle inzwischen vergessen zwischen all dem Gelächter. Die Stunden vergingen wie im Flug und unser Zeitplan war bereits komplett aus den Fugen geraten. Am Ende war es uns egal, denn wir wollten keine Minute dieses Tages missen. Als wir uns schließlich doch verabschieden mussten, lagen wir uns alle lange im Arm, eine Einladung inklusive „Wild Card“ zum Triathlon du Lac des Sapins 2019 wurde ausgesprochen und sogar ein paar Tränchen wurden verdrückt.
Lost in Translation
So sehr unsere Zeit am Lac des Sapins im Zeichen der Völkerverständigung stand, an Tag zwei im Beaujolais Vert schlug die Keule der fehlenden Sprachkenntnisse dann doch noch zu. Während Gastgeberin Corinne vom Tourismusverband mit Winzer David Large auf seinem Weingut zur Verkostung auf uns wartete, schlenderten Henryk und ich durch die Gassen der hübschen kleinen Stadt Oingt (heißt wirklich so!), im Glauben, dass wir uns auf dem alten Wehrturm treffen würden. Was soll man dazu sagen außer „Die Geschichte jenes Tages ist eine Geschichte voller Missverständnisse…“ Wir sind noch heute zutiefst betrübt, dass wir uns tatsächlich komplett verpasst haben und das Treffen nicht mehr stattfand. Aber dafür haben wir Oingt für uns entdeckt. Wenn ihr einmal in der Beaujolais Region unterwegs seid, bitte unbedingt einen Abstecher dorthin einplanen!
Und was lehrt uns diese Geschichte? Dass Worte nicht alles sind, aber manchmal eben doch ganz hilfreich. Aber mit oder ohne Sprache – wir waren in jedem Fall tief berührt von den Menschen, die wir vor Ort kennenlernen durften. Ein kleiner Ort der Glückseligkeit, mitten in Frankreich!
PS. 2019 wird Henryk wohl leider nicht am Triathlon rund um den Lac des Sapins teilnehmen, aber vielleicht sehen wir uns ja alle 2020 dort..?!
Hinweis: Dieser Beitrag resultiert aus einer Kooperation mit dem französischen Tourismusverbands im Rahmen der Kampagne „Frankreich aktiv – unterwegs mit Locals“, die Inhalte beruhen jedoch ausschließlich auf den persönlichen Eindrücken der Autoren.
Mehr Informationen zur Region Beaujolais Vert unter: http://beaujolaisvert.com oder über Rhone Tourisme.