Fünf Mal von Null auf Hundert
Ist es möglich in weniger als drei Tagen komplett zur Ruhe zu kommen? Meine Antwort: Auf jeden Fall. Zum Beispiel bei einem Trip zum südlichsten Teil Skandinaviens. Auf, zur dänischen Ostsee.
Wir starten nach Feierabend mit dem Wagen in Richtung Norden. Unser Ziel: Rostock Seehafen und weiter auf die dänischen Inseln Falster, Lolland und Møn – mit Vollgas in die absolute Entschleunigung. Und diese setzt bereits auf der Autobahn ein. Ist es rund um Berlin noch etwas stressig, wird der Verkehr immer lichter je nördlicher wir fahren. Spätestens auf der nächtlichen Fähre ist bereits Ruhepuls angesagt. Im Takt der typisch „steifen Brise“ schaukeln wir sanft in den Sonnenuntergang, einem neuen Abenteuer entgegen.
My home is my castle
Am nächsten Morgen staunen wir nicht schlecht, als wir bei Tageslicht erkennen, wo wir am späten Abend nach der Ankunft in Gedesby bei Gedser eingecheckt sind. Dänemark ist bekannt für seine hübschen, gut ausgestatteten Ferienhäuser. Unsere Herberge jedoch ist kein schlichter Bungalow, es ist ein Erholungs-Tempel. Das längliche Gebäude besteht aus zwei Bereichen mit überdachter Terrasse für Grill & Co. Stilvolle Einrichtung, ein Bad mit Whirlpool, Sauna, Kamin im Wohnzimmer… kurz gesagt: perfekt. Mein persönliches Highlight ist aber das große Fernglas. „Katharina, das Programm für die nächsten Tage wird geändert. Wir machen nichts outdoor, wir bleiben hier!“
Füße hochlegen, Tee trinken, Rehe und Fasane auf dem gegenüberliegenden Feld beobachten, einige Seiten lesen… so könnte jeder Tag seinen Lauf nehmen. Die Region bietet aber dann doch zu viel Spannendes, um daheim zu bleiben.
Was man alles auf den dänischen Ostseeinseln machen kann, haben wir in den folgenden 48 Stunden ausführlich getestet. Zwei Tage, drei Inseln, vier gefühlte Klimazonen, fünf Aktionen – die ultimative Entschleunigung.
#1 – der Sonne entgegen paddeln
Wer den Alltag hinter sich lassen will, der sollte einen morgendlichen Kajak Ausflug mit Søren Kastrup machen. Es dauert nur wenige Paddelschläge, schon lässen wir das Hafenbecken hinter uns und finden uns wieder auf dem glitzernden Meer. Um uns herum glasklares Wasser, in der Ferne einige Schwäne, hier und da eine Möwe. That´s it. Das Ufer zur Rechten ist noch nah – und doch weit genug entfernt, um von dem Leben an Land nichts mehr mitzubekommen. Søren ist eigentlich Klempner in Kopenhagen, hat aber sein Hobby zum zweiten Standbein gemacht und somit einen guten Weg für sich gefunden, ausreichend Zeit auf dem Wasser zu verbringen. Ein Lebensmodell ganz nach unserem Geschmack. Ohne Wind ist Kajaken ein großartiger Slow-Down-Boost und heute weht in Dänemark kein Lüftchen! Besser könnte dieser Tag nicht starten.
#2 – der Sonne entgegen wandern
Zu viel Respekt vor großen Gewässern? Kein Problem, wie wäre es dann mit einer Wanderung zu einem wirklich beeindruckenden Ort? Gleich in der Nähe des Hafens von Kragenæs auf Lolland, von wo wir auch zu unserem Kajaktrip gestartet sind, führt ein schmaler Weg zunächst durch ein kleines Wäldchen, dann hinaus aufs offene Feld – immer mit Blick aufs offene Meer. Allein für dieses Panorama lohnt sich der Spaziergang.
Es dauert nicht lange, dann kann man sie bereits sehen: riesige, kreisförmig angeordnete Köpfe aus Felsgestein, die an die Wikinger-Zeit erinnern. Die Dodekalitten (griechisch für „Zwölfstein“) sind jedoch alles andere als historisch. Sie sind vielmehr Teil eines entstehenden Kunstwerks. Noch stehen lediglich sechs der zwölf geplanten 7 bis 8 Meter hohen Steinsäulen an dem Ort. Vier davon sind bereits bearbeitet: Riesige Köpfe, die in das Zentrum des imaginären Kreises schauen. Untermalt wird dieses beeindruckende Ensemble mit leisen Klängen, die aus der Erde zu kommen scheinen. Uns verschlägt es den Atem. Ein wahrlich mystischer Ort.
Der Steinkreis wächst jedes Jahr um einen weiteren Kopf und eine weitere Säule. Bereits jetzt ist dieser Ort so kraftvoll – ein echtes Erlebnis von Größe, Stolz, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
#3 – der Sonne entgegen fliegen
Bereits vom Kajak aus habe ich sie gesehen. Männer, die 50 Meter vom Ufer entfernt im Wasser stehen und ihre Angeln auswerfen. In den Gewässern rund um Lolland & Falster ist dies scheinbar keine Besonderheit. Beim so genannten Küstenangeln steht man bis zum Bauch im Meer und lässt den Köder rhythmisch durch die Luft sausen. Bis jetzt dachte ich immer, dass Fliegenfischen unfassbar schwierig sei. Die Königsdisziplin des Angelsports, die keiner so gut wie der junge Brad Pitt im Film beherrscht (und dabei auch noch sooo gut ausschaut, wie Katharina findet). Wir werden jedoch eines Besseren belehrt. Angler Arne, der entweder meinen faszinierten Blick im Nacken gespürt hat oder einfach raus aus dem Wasser und ein wenig quatschen wollte, lädt mich ein, es einmal selbst zu probieren. Er hat sich das Fliegenfischen via YouTube beigebracht. Mal fängt er etwas, mal fängt er nichts. Und wenn er einen Fisch fängt, setzt er ihn oft wieder zurück ins Wasser. Der Jagderfolg sei reine Nebensache. Arne und den anderen geht es um die Zeit für sich. Hier draußen können sie perfekt abschalten. Ich entschließe mich es beim Zuschauen zu belassen. Für heute!
#4 – der Sonne entgegen radeln
Für uns gibt es nichts Schöneres, als eine Region mit dem Rad zu erkunden. Und mit Birgitt Bjerre haben wir nicht nur einen Local, sondern eine echte Fahrrad Enthusiastin an unserer Seite. Birgitt hat schon viele hunderte Kilometer auf dem Sattel zurückgelegt (Berlin Kopenhagen – der Klassiker – natürlich inbegriffen). Vor 20 Jahren begann sie, besonders schöne und vielseitige Rundtouren auf Lolland & Falster zu entwickeln. Heute sind wir auf der „grünen Route“ unterwegs und uns erwarten abwechslungsreiche 40 Kilometer durch die „Speisekammer Dänemarks“, vorbei an zahlreichen Rüben- und Apfelbaum-Feldern, wir machen Stopp an prachtvollen Herrenhäusern, cruisen durch goldgelbe Buchenwälder und pausieren in einem einsamen Moor. Birgitt kennt sie alle: die Secret Spots und ihre Geschichten, die in keinem Reiseführer stehen.
Auch, wenn ich mir anfangs mein Rennrad herbei gewünscht hätte, so ein gemütlicher drei-Gang-Shopper hat auch etwas. Wer stets auf die Geschwindigkeit und Trittfrequenz achtet, verpasst viel zu viel von der Umgebung! Leihen könnt ihr euch die Bikes übrigens hier. Und Birgitt versorgt euch bestimmt auch gerne mit weiteren Ratschlägen, Tourentipis und Kartenmaterial.
#5 – der Sonne entgegen reiten
Das wohl intensivste Naturerlebnis erleben wir auf der benachbarten Insel Møn. Hier erwarten uns keine holländischen Drahtesel, sondern isländische Pferde. Nach meiner ersten und letzten Reiterfahrung in Lesotho hatte ich mir (und meinem Hintern) eigentlich geschworen, nie wieder ein Pferd zu besteigen. Zu schmerzhaft waren die Tage nach dem damaligen Ausritt. Heute wage ich dann aber doch einen erneuten Versuch. Als Blogger bleibt einem auch wirklich nichts erspart…
Mein Pferdchen heißt Sleipnir, so wie das achtbeinige Ross Odins, welches laut Sage zu Lande zu Wasser sowie in der Luft dahinglitt. Ich kann nur vier Beine zählen und diese trotten ganz gemächlich den anderen Pferden (und den Personen die diese auch lenken können) hinterher. Sleipnir macht einen ganz vernünftigen Eindruck auf mich und wir verstehen uns ohne Worte (ich spreche kein Dänisch und er versteht leider auch kein Deutsch). Dennoch habe ich den Eindruck, als wolle er mich ab und an ein wenig ärgern, wenn nicht sogar loswerden. Jeder Baum wird so nah passiert, dass ich mit meinen Beinen eigentlich daran hängen bleiben müsste. Und wenn mal ein Ast etwas tiefer hängt läuft Sleipnir zielsicher darunter her. Auch das einzige Brennnessel Feld ganz Dänemarks wird ganz bewusst angesteuert, egal wie deutlich ich versuche, mit den Zügeln Steuerimpulse zu senden. Ganz nach dem Motto „der Klügere gibt nach“ lasse ich ihm schlussendlich seinen Spaß und füge mich dem etwas brennenden Schicksal.
Als Sleipnir den anderen Pferden dann wieder gemächlich folgt, ist es eigentlich ziemlich schön. Der Weg führt uns entlang der steil abfallenden Kreidefelsen – die Ausblicke auf die Türkis schimmernde Ostsee sind überwältigend. Für Pferdeliebhaber muss das hier das Größte sein. Für mich bleibt es eine Mischung aus Faszination, Respekt, Hintern-Schmerz, Galgenhumor und Adrenalinschüben. „Wenn der Gaul jetzt stresst, gehe ich drauf!“ … „Ruhig Brauner, Galopp ist doch eh zu anstrengend“.
Wie lang der Ausritt vom Islandcenter dauert kann ich gar nicht mehr sagen. Die Pferde scheinen jedoch auch froh zu sein, als wir uns auf dem Rückweg befinden. So gierig, wie sie sich auf die fressbare Belohnung stürzen, könnte man meinen wir wären Tage unterwegs gewesen. Auch ich habe mir nach diesem Abenteuer eine Belohnung verdient. Eine leckere Pause im DAVID´S im idyllischen Ort Stege ist der perfekte Ort dafür.
Sonntagabend, an Deck der Scandlines, erkennen wir einmal mehr, dass unser Plan aufgegangen ist. Von Null auf Hundert Prozent Erholung. Oh ja, wir sind so was von entspannt. Und glücklich. Vielleicht sind wir ein bisschen wehmütig, dass wir die kleinen, dänischen Ostseeinseln und unseren wunderschönen Bungalow schon wieder verlassen müssen, dennoch haben wir beide ein dickes Grinsen im Gesicht. Wir wissen, dass es mal wieder die richtige Entscheidung war, Freitagabends der Stadt zu entfliehen – für ein kurzes Microadventure, Out Of Office…
Wir bedanken uns bei Visit Denmark für die Einladung auf diese wunderbaren Inseln. Dieser Artikel beruht auf einer Kooperation, spiegelt jedoch uneingeschränkt die Meinung und Eindrücke der Autoren wieder. Mehr Infos und Anregungen findet ihr unter: visitlollandfalster.de sowie unter www.visitmoensklint.de