Gleiten, Skaten, Schuss – im Ötztal
„Katharina, hast du schon mal Skilanglauf ausprobiert?“ – diese Frage erwischte mich kalt. „Äh, klar! Macht… Spaß…“ Eine dunkle Erinnerung keimt auf in mir. Nach ersten vielversprechenden Versuchen vor vielen Jahren im heimischen Schwarzwald hatte ich mich im letzten Winter leichtfertig begeistern lassen für einen Trip zum Langlaufen nach Norwegen.
Jaaa, auf gerader Strecke ist dieser Sport wirklich lustig, aber auch beim vermeintlich harmlosen Langlauf-Spaß geht es mal bergab. Ich weiß, wovon ich spreche.
Sollte ich es also wirklich noch einmal wagen, mich auf diese wackeligen, dünnen Latten zu stellen? Hatte ich nicht gerade erst meinen Mut bewiesen, als ich mich halsbrecherisch auf Alpin-Skiern die Schweizer Alpen hinabgestürzt habe? Verlockend klang die Einladung ins Ötztal dennoch, denn es ging nicht um Langlauf allein. Auf dem Programm stand eine Lektion im Biathlon! So richtig mit Schießen und so… Zwei Wochen später stand ich dann mit gepacktem Köfferchen in Niederthai am Fuße der Ötztaler Gipfel, genoss den berauschenden Blick auf das abendliche Alpenglühen und harrte zaghaft der Dinge, die mich am nächsten Morgen auf den hiesigen Loipen erwarten würden…
Gutes Material ist die halbe Miete
Erster Stopp im lokalen Ski-Verleih. Ronny Ackermann hätte seine Freude gehabt, denn hier gab es alles, was Langläufer’s Herz begehrt. Wusstet ihr, dass man für gute Langlauf (!) Skier und Schuhe bis zu 800 Euro ausgeben kann? Zum Glück ist das Leihen deutlich günstiger. Mit 20 Euro pro Tag für das gesamte Material ist man dabei. Und dann lernte ich noch: Es gibt einen Unterschied zwischen klassischem Langlauf- und Skating-Skiern – aha! Und welchen nehmen wir jetzt? Klassik klingt irgendwie einfacher für den Anfang. Also, Gamaschen geschnürt und ab in die Loipe.
Lektion 1 – Langlauf Klassik Style
“Jetzt legen wir erst mal die Stöcke beiseite”, erklärte unser Guide (ja, es gibt auch Langlauflehrer). Aber wie jetzt? Ohne Stöcke komm ich doch gar nicht von der Stelle. Ist doch flach hier (zum Glück!)… Okay, wir begannen mit ein paar Übungen. Stöcke an die Seite, Hände in die Hüfte und aus den Knien abdrücken. Dabei im besten Fall ins Gleiten kommen und auch noch die Balance halten. Oh man, nach wenigen Metern fing ich an zu Schwitzen – und zwar nicht vor Angst, sondern vor Anstrengung. Langlauf hat den Namen Sport tatsächlich verdient. Aber die Übung half. Es klappte irgendwie nach einer Weile. Unsere illustre Truppe aus Jung und Alt stieß sich in einer langen Reihe hintereinander abwechselnd ab: Rechts und links und rechts und links und… Sieht bekloppt aus, aber wenn man dann ins Gleiten kommt, macht es richtig Spaß.
Nach einer Weile durften wir die Stöcke dann auch wieder dazu nehmen – und siehe da, die klapprigen Mini-Ski waren gar nicht mehr so wackelig. Anbei übrigens auch der Beweis, dass ich nicht nur am Rand stand, um fleißig die Kollegen in der Loipe anzufeuern, sondern mich auch selbst Runde um Runde durchs Schneetreiben gekämpft habe. Sieht doch top aus!
Lektion 2 – Schießen
Weiter ging’s an unserem privaten Wettkampf-Tag. Wir waren ja nicht (nur) wegen der wunderbaren Loipen da. Zu einem echten Biathlon Erlebnis gehört auch das Schießen. Oooyeah, darauf hatte ich mich gefreut. Erst mal kurz dem Profi zuschauen und dann… Uff, das Ding ist wirklich schwer. Mindestgewicht für das Gewehr im Wettkampf sind satte 3,5 kg, die die Biathleten bei jeder Runde auf dem Rücken tragen (mir war ja schon ohne extra Gepäck auf dem Rücken ordentlich warm geworden). Ich lernte: Einfacher ist es im Liegen, da zittern die Hände nicht so arg. Für die erste Runde wurde das Ziel noch etwas großzügiger eingestellt – und dann das kleine Wunder: Ich traf gleich beim ersten Versuch fünf Mal ins Schwarze. Ein Naturtalent! Zumindest, bis es zum Stehend-Schießen kam. Dann ging nämlich plötzlich gar nichts mehr. Die Hände hielten einfach nicht still, das Ziel im Visier wackelte nach oben und nach unten. Ich ziehe den Hut vor der Leistung der Wettkampfsportler, die mit einem Puls von 160 in wenigen Sekunden alle fünf Schüsse abfeuern (und meistens dann auch treffen). Und ich lernte wieder etwas: Die Profis halten die Luft an beim Schießen, damit der Puls gar nicht erst runter geht. Denn erst mit der Entspannung (absinkendem Adrenalinspiegel und niedrigem Puls) zittern die Hände. Ergo: Je schneller man aus der Anstrengung der Verfolgung heraus zum Abschuss kommt, desto besser. Aha! Ob das wirklich stimmt, weiß ich nicht – aber es klingt zumindest logisch. Schießen ist in jedem Fall ab sofort meine Lieblingsdisziplin im Biathlon.
Lektion 3 – Skating
Wer aufmerksam jeden Samstag und Sonntagnachmittag daheim auf der Couch den Biathlon-Zirkus im TV verfolgt, der weiß, dass die ja eigentlich gar nicht in der Loipe fahren. Profis skaten nämlich. Ist schneller – und auch anstrengender. Noch anstrengender. Bevor es für uns Rookies aber aufs freie Feld ging, gab es erst mal eine weitere Theorie-Lektion. Der geübte Langläufer (der mit dem 800 Euro Ski) hat nämlich im besten Fall eine Bindung, die er mit Hilfe eines kleinen Schlüssels verstellen kann, um den jeweiligen Schneeverhältnissen und Bedingungen auf der Strecke optimal begegnen zu können. Ich bemerkte allerdings keinen Unterschied, ob ich zwei Zentimeter weiter vorne oder hinten in der Bindung hing. Ich merkte nur: Skaten ist deutlich schweißtreibender als klassisches Langlaufen. Der Bewegungsablauf ist komplett gegensätzlich zum normalen Laufen. Man setzt den Fuß auf und stößt sich von vorne nach hinten ab. Nach zwei Runde schmerzten meine Schienbeine, nach drei weiteren spürte ich ein ernsthaftes Ziehen in meinen Innenschenkeln (vielleicht auch schon der Muskelkater von der früheren Trainingssession). Dazu der recht komplexe Bewegungsablauf beim Stockeinsatz: Nur auf jeden zweiten Schritt und immer mit der starken Seite vorne. Was ist meine starke Seite?
Das Tolle am Skaten ist aber, dass man richtig Geschwindigkeit aufnimmt. Und ist man einmal drin im Bewegungsablauf ist es deutlich einfacher als der Klassik Style. Zumindest am Anfang, solange die Kräfte noch nicht komplett aufgezehrt sind. Nach wenigen weiteren Runden war ich endgültig zu erschöpft – aber es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.
Und das trägt man auf der Piste…
Macht nicht denselben Fehler wie ich und denkt: Ist ja Wintersort, also dick anziehen. Nein, euch wird warm werden beim Langlaufen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich herausgefunden habe, welche Kombi die beste für mich ist. Meine Empfehlung: Skihose? Auf keinen Fall. Ich hatte glücklicherweise noch meine normale Jogging-Laufhose dabei und habe mir eine atmungsaktive lange Ski-Unterhose drunter gezogen. Die Laufhose alleine wäre zu kalt gewesen, so war es zwar etwas eng, aber ich hatte noch ausreichend Bewegungsspielraum für große, lange Schritte beim Skaten. Für den Oberkörper gilt in jedem Fall: Lagenlook. Ich hatte ein atmungsaktives Funktionsshirt an und darüber meinen super bequemen, weich gefütterten Mid-Layer. Das alleine hätte eigentlich gereicht. Eine Daunenwestedarüber ist optional – aber mega leicht und hält vor allem dann noch etwas wärmer, wenn man zum Schießen auf dem Boden liegt. Meine wichtigste Lektion in Sachen Klamotte: Auf die Mütze verzichten (weil sonst Hitzestau am Kopf) und dafür eher auf so ein schickes Kopf-Stirn-Band-Dingens gehen. Ich mag die eigentlich nicht so (optisch), wurde nun aber beim Langlaufen echt von der Funktionalität überzeugt. Und sieht doch echt aus wie ein Profi – ha ha!
Nach dem Training…
Das Beste an einem sportlichen und spaßigen Wettkampftag? Am Abend hat man sich eine Belohnung verdient. Da es uns ja für das Biathlon Wochenende ins wunderbare österreichische Ötztal verschlagen hatte, durfte natürlich auch die ein oder andere alpenländische Köstlichkeit nicht fehlen. Nach dem Jausenbrett’l und dem obligatorischen zünftigen Schnapserl haben wir uns noch den frischen Kaiserschmarrn gegönnt. Mein Fazit von diesem erlebnisreichen Biathlon-Wochenende… Der nächste Langlauf-Trip kann kommen. Mit den Loipen von Österreich bis Skandinavien nehme ich es jetzt locker auf!
Wer nun Lust bekommen hat, sich selbst einmal beim Biathlon auszutoben, dem lege ich den Schnupper-Nachmittag in Umhausen-Niederthai ans Herz. Jeden Sonntag in der Wintersaison kann man zwischen 13 Uhr und 15 Uhr sein Glück am Schießstand versuchen und die Loipen unsicher machen. Ein Lehrer ist dann vor Ort und gibt Hilfestellung.
Weitere Informationen: www.oetztal.com/skigebiet-niederthai