Grüße aus Bollywood
Wenn dir jemand in Delhi rät »Vertraue niemandem!« sollte man sich an diese Regel durchaus halten – auch wenn es schwer fällt, nachdem man über fünf Monate mühsam die deutsche Skepsis Neuem gegenüber abgelegt hat.
In Indien erlebte ich ein zuweilen filmreifes Possenspiel, bei dem meine Offenheit und Toleranz auf eine harte Probe gestellt wurden…
Die Protagonisten
Ein ahnungsloser, neugieriger Tourist Ein Schlepper am Flughafen Ein Taxifahrer Einige Polizisten als Statisten Eine handvoll Ganoven
Die Schauplätze
Ein Taxi Ein Büro in Delhi mit Telefon – genannt »Tourist Information« Als special effects: 40° C, einsetzender Regen und jede Menge Lügen, Lügen, Lügen.
Szene 1: Den Touristen abfangen
Schlepper fährt zum Internationalen Flughafen von Delhi und versucht, einen frisch eingereisten, orientierungslosen und übernächtigten Touristen aufzugabeln. Mit etwas Glück ist dieser Tourist gutgläubig und folgt dem Schlepper zum Taxi.
Szene 2: Verwirrung stiften
Taxi fährt mit »Opfer« in die Stadt. Der Tourist wird nicht wissen, wie man sich am schnellsten durch das Verkehrs-Chaos der Stadt kämpft. Wenn dieser irritiert auf die Smartphone Map schaut, ist es Zeit für glaubwürdige Statisten. Auftritt Polizisten, die zahlreich im Straßenbild vertreten sind: Mögliche Straßensperren und Empfehlungen der Polizei können dem Schlepper leicht als Grund dienen, warum nicht das gewünschten Ziel (Hotel), sondern die nächstgelegene »Touristen Information« (aka das Büro), angefahren werden muss. Der Schlepper tut so, als erfrage er den Grund für die Sperrung, dann geht es auf direktem Weg in die Höhle des Löwen.
Szene 3: Hilfsbereitschaft vorspielen und überzeugend lügen
Tourist wurde erfolgreich im Büro der “Tourist Information” abgesetzt. Nun gilt es für die Ganoven (aka Mitarbeiter der Touristeninformation), freundlich zu sein und überzeugend zu lügen. Das Wählen falscher Telefonnummern, egal ob vom anvisierten Hotel, alternativen Hotels, Polizei, Botschaft … ist besonders wirkungsvoll, wenn es darum geht, den Touristen “aufzuweichen”. Special effect: Der einsetzende Regen und weitere Lügen helfen, den Touristen im Büro zu halten, denn zuweilen dauert es, bis er wirklich glaubt, dass es 1) in ganz Delhi keine Unterkunft mehr für unter 200 USD gibt, 2) alles »viel zu weit entfernt« und 3) die Chance auf einen Internetzugang extrem gering ist.
Szene 4: Catch the fish!
Die Schlüsselszene wird eingeleitet mit dem Satz: »Mein Freund, wir sind hier nicht in Europa!« Das ist die Chance, endlich eine »gute Alternative« zu verkaufen – weit, weit entfernt von Delhi. Wenn das Opfer allerdings partout nicht für 400 USD zum Goldenen Dreieck oder nach Agra will, schickt man ihn einfach mit dem “special offer” in den Norden, »wo es zahlreiche Backpacker Unterkünfte zu schmalen Preisen gibt«. Damit haben sie ihn am Haken – und die Marge ist immer noch gut.
Szene 5: Der Coup
Die Ganoven heuern ein Taxi an und wünschen dem ahnungslosen, überforderten Reisenden eine tolle Zeit. Sie strahlen, schließlich hat dieser rund 185 Euro (inkl. Steuern, ha ha ha ) auf den Tisch gelegt. Und los geht´s! Für die nächsten sechs Stunden sitzt der Tourist auf der Rückbank eines klapprigen Autos in Richtung Rishikesh – wo er eigentlich niemals hin wollte …
Szene 6: Die Wende
Dumm, wenn der Tourist doch irgendwann (in meinem Fall nach gut fünf Stunden im Taxi) ein »echtes« Telefonat mit seinem ursprünglich gebuchten Hotel führen kann, diese ihm seine Reservierung und damit sein Bauchgefühl bestätigen, dass er richtig derb abgezockt wurde! Kurze Streiterei mit dem Taxifahrer – und dann so schnell wie möglich umkehren Richtung Delhi (erneut sechs Stunden im Taxi).
Ende gut, alles gut
So in etwa gestaltete sich also mein erster Tag in Indien. Ich habe viel im Auto gesessen, aus dem Fenster geschaut, geschmunzelt und geflucht, Land, Leben und Leute gesehen… und nach langen Diskussionen in Delhi schließlich mein Geld zurück bekommen. Wenigstens war die unfreiwillige Exkursion am Ende kostenlos.
Was bleibt?
Auch wenn an den folgenden Tagen in Delhi alles vermeintlich glatt lief, eine gewisse Skepsis gegenüber jedem um mich herum blieb und ich freute mich zum erstem mal richtig auf zu Hause. Fürs erste hatte ich wirklich genug, aber vielleicht gibt es doch noch mal eine Fortsetzung!
Übrigens… Auf Facebook gibt’s das Video zum Roadtrip von OUT OF OFFICE in Delhi. Klick hier!