Herbst in den Dolomiten: Sich verlaufen und verlieben
„Ich bin mir sicher, dass wir vorhin hätten links abbiegen müssen.“ – „Es wird in knapp 4 Stunden dunkel, vielleicht sollten wir…“ – „Sind wir nicht heute morgen hier vorbeigelaufen?“… So klingt ein typischer Urlaubsdialog, der meistens in den Bergen stattfindet. Verirren gehört bei uns zum guten Urlaubs-Ton und wo macht das Verirren mehr Spaß, als in den Dolomiten?
Mindestens einmal im Jahr setzen wir uns in unseren Bulli und nehmen die weite Fahrt aus Berlin auf uns, um graue Betonmauern und Großstadtverkehr gegen grüne Berge und gemütliche Wanderungen einzutauschen. Der gesamte Urlaub ist davon geprägt, dass die Wege das Ziel sind. Sei es auf vier Rädern oder zwei Füßen. Navigiert wird nach Gefühl und wenn wir uns nicht mindestens einmal am Tag verirren, hat uns unser Gefühl im Stich gelassen.
Als Katharina und Henryk uns fragten, ob wir nicht Lust hätten unsere gezielten Verirrungen aufzuschreiben, fühlten wir uns geschmeichelt und freuten uns auf das Experiment. Obwohl wir schon seit Jahren im Südtirol unterwegs sind, gibt es nämlich immer wieder etwas neues zu entdecken – und so machten wir uns auf den Weg in unser geliebtes Wunderland, mit dem Ziel unseren beeindruckend mangelhaften Orientierungssinn zu dokumentieren.
Herbstlich Willkommen
Es ist Herbst als wir im Eggental in Südtirol eintreffen. Zum ersten Mal seit Jahren tauschen wir das Leben im Bulli gegen eine Übernachtung mit einem echten Dach über den Kopf. Das Hotel Ganischgerhof ist unser erster Anlaufpunkt und soll für die nächsten Tage unsere Basisstation sein. Die Begrüßung ist so herzlich, dass wir uns nicht sicher sind, ob wir nicht doch schon einmal zu Gast waren. Wir fühlen uns von der ersten Minute nicht nur Willkommen, sondern als Teil einer Familie. Ein Begrüßungsdrink später sind wir im heimelig eingerichteten Zimmer und erfreuen uns an der Aussicht über das Tal, sowie kleine Aufmerksamkeiten für Hund und Kind.
Genau 20 Minuten nach dem Auspacken der Koffer jucken unsere Füße und wir halten es keine Sekunde länger aus: Die Luft da draußen ist viel zu frisch, die Landschaft viel zu grün, aus den Bergen steigt der Nebel auf, um sich im urgemütlichen Hotel auszuruhen. Wir fragen am Empfang nach einer Empfehlung, wohin man wandern könnte und lächeln milde als wir eine Wegbeschreibung bekommen: „Aus dem Hotel links und dann den Schildern nach St. Helena folgen. Kann man nicht verfehlen!“ – „Doch, kann man…“
Und das taten wir auch: Keine 100 Meter vom Hotel entfernt, bogen wir falsch ab und verlängerten die Tour um beinahe das Doppelte. Wie man an unserer auf Kommot aufgezeichneten Tour erkennt, haben wir uns nach weniger als 100 Meter vom Hotel entfernt verirrt. Nach wenigen Minuten ist der Tag also schon ein voller Erfolg!
Per Du mit Stein und Baum
Am darauffolgenden Tag beschließen wir von unserem üblichen Urlaubsverhalten noch weiter abzuweichen: Anstatt alleine durch die Berge zu wandern, schließen wir uns einer geführten Tour im Geopark Bletterbach an. Aber nicht irgendeine Tour, sondern eine Tour mit Lerneffekt: Unsere Führerin Christel ist eine pensionierte und passionierte Geologin, die zu unserer Freude jeden einzelnen Stein und Baum auf dem Weg durch die Bletterbachschlucht persönlich zu kennen scheint. Neben der Beschaffenheit der Felsen, Eigenarten der Vegetation und den Unterschied zwischen Sauriern und DINOsauriern lernen wir, dass wir ca. 210 Millionen Jahre zu spät für einen Strandurlaub sind. So lange ist es nämlich her, dass die Dolomiten an der Küste des Urkontinents Pangäa entstanden sind. Christel ist ein wahrer Quell an Wissen und so vergeht die Zeit wie im Flug. Und das beste: Als wir uns von ihr verabschieden merken wir, dass wir heute nicht einmal auch nur ansatzweise falsch abgebogen sind!
Verwundert, dass es möglich ist hydriert, ausgeruht und lange vor Sonnenuntergang von einer Wanderung zurückzukommen, schließen wir den Tag mit einem üppigen Abendessen im Hotel ab.
Wo wir gerad beim Essen sind… Es ist nicht einfach, Vegetarier zu sein, wenn man sich außerhalb einer Großstadt bewegt. Eine ganz besondere Herausforderung ist es in den Bergen, wo man noch der Meinung ist, dass körperliche Anstrengung nur mit Fleisch ausgeglichen werden kann. „Hühnchen ist aber in Ordnung, oder?“ So die übliche Reaktion auf die Frage, ob man vielleicht etwas vegetarisches bekommen könnte. Im Ganischgerhof sieht es anders aus: Ein Vegetarier kommt gleichermaßen auf seine Kosten, wie auch Fleisch- und Fischliebhaber. Die Qualität des Essens lässt dabei keine Wünsche offen. Nach einer ausgedehnten Wanderung können wir uns also voll und ganz darauf verlassen, dass die Mägen ordentlich gefüllt und die Geschmacksnerven in den siebten Himmel befördert werden. Dass ein kompletter Raum zur Feier des Tages (es ist Freitag und das feiert man auch im Urlaub, wie es scheint) dem Nachtisch gewidmet wird, lässt einen ganz vergessen, dass wir heute eigentlich nicht genug gewandert sind, um sich mit tausenden Kalorien hausgemachter Desserts zu belohnen.
Vom Strand zum Rosengarten
Die nächsten Tage verbringen wir wieder damit, uns von unserem Gefühl leiten zu lassen und vom Wanderweg abzukommen. Wir stehen gewohnt ehrfürchtig vor Bergen die ihre Gipfel in den Wolken verstecken und wandern durch geheimnisvolle Wälder. Ab und zu lassen sich Murmeltiere blicken und verschwinden mit einem lauten Pfeifen genauso schnell, wie sie gekommen sind. Unsere anderthalbjährige Tochter quietscht vergnügt in der Kraxe, wenn wir über kleine Bäche hüpfen, die wenige Meter entfernt leise plätschernd zu kleinen Wasserfällen werden. Der Familienhund versucht sich mit riesigen Kühen anzufreunden, die zufrieden schmatzend Gras in frische Milch verwandeln. Jeder Meter sieht aus, als hätte man es aus einem Heimatfilm der 60er Jahre geschnitten.
Das Wandern durch das Rosengarten-Latemar Gebiet fühlt sich inzwischen an wie ein Heimspiel, bei dem wir zu Gast sind. Es hat vielleicht 210 Millionen Jahre gebraucht, um von einem Strand zu einem der schönsten Wandergebieten der Alpen zu werden, doch findet man jedes Jahr etwas Neues zum Staunen. Die Schönheit der Berge, Hügel und Wälder werden nur noch von der Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Menschen übertroffen…
Nach viel zu wenigen Tagen verabschieden wir uns wehmütig von der Region Eggental, die alleine für die Freundlichkeit und Gastfreundschaft eine Handvoll Sterne verdient hat. Zum Abschied fällt morgens der erste Schnee auf die Berge bei einem wundervollen Sonnenaufgang. Es ist Zeit die Dolomiten gegen Hügel und Wanderungen gegen Tiefenentspannung zu tauschen. Dazu mehr in unserem nächsten Artikel: „Vegane Schakrenreinigung für Fortgeschrittene“…
Wir bedanken uns beim Tourismusverein Eggental für die Einladung nach Südtirol. Dieser Artikel ist Teil einer Kooperation, spiegelt jedoch uneingeschränkt die freie Meinung der Autoren wieder.
Mehr Informationen unter https://eggental.com/de