Mit dem Floß durch die Nacht – ein Microadventure
Ein lautes Knarzen lässt mich kurz zusammenfahren. Ich lausche in die Dunkelheit. Nichts. Nur das leise Plätschern des Wassers, verursacht durch das sanfte Schaukeln unserer „Herberge“. Wir sind allein hier draußen. Völlig allein. Auf unserem Floß.
Rückblick – 12 Stunden zuvor. Es ist früher Nachmittag und wir checken ein. Oder sagt man nicht viel eher: Wir gehen an Bord ? Mit Sack und Pack stehen wir auf dem Steg der Huckleberry’s Floßstation in Potsdam und sind aufgekratzt. Eben noch waren wir im Büro, haben die letzten Emails beantwortet. Dann endlich den Autoresponder eingestellt und nichts wie los in Richtung Havel. Einen Tag und eine Nacht werden wir nun auf den Wasserwegen rund um Potsdam und Berlin unterwegs sein. Oooyeah.
Bevor wir ablegen bekommen wir eine kurze technische Einweisung. Mit gemütlichen 10 PS werden wir sicherlich keine Weltrekorde im Schnell-Schippern aufstellen – aber das ist auch gar nicht das Ziel. Im Gegenteil, wir suchen ein Abenteuer der ganz anderen Art: Ruhe und Natur! Wir richten uns ein auf 24 Stunden autarkes Leben an Deck: Ausreichend Grillzeug haben wir dabei, dazu ein wenig Camping-Geschirr, Schlafsäcke & Isomatten, Inspiration und Lesestoff zu den Gewässern im Umland, Fernglas, Kamera, Kaffee für morgen früh und Henryks Ukulele.
Leinen los!
Und dann geht es auch schon los. Unsere erste Probefahrt führt erst einmal auf dem direkten Weg raus aus dem Innenstadtbereich von Potsdam. Wir kreuzen die Glienicker Brücke und schippern weiter in Richtung Jungfernsee. Na, wenn das mal kein Omen ist für unsere erste Floß-Tour! Da die Saison erst zu Mai richtig in Fahrt kommt, ist trotz des frühlingshaften Wetters recht wenig los an diesem Nachmittag. Perfekte Bedingungen also für unsere noch recht wilden Übungs-Manöver. Doch schnell grooven wir uns ein und lassen die Weite und die Natur um uns herum auf uns wirken. Von 100 auf Null in weniger als einer Stunde – herrlich…
Wir wollen heute gar nicht so viele „Seemeilen“ machen, sondern suchen uns stattdessen eine ruhige Bucht zum Ankern. Und dann, Grill anschmeißen und erst mal auf dieses neue Abenteuer anstoßen. Sogleich bekommen wir auch einen Antrittsbesuch. Die Schwäne und Enten sammeln sich neugierig um unser Floß, um zu sehen, wer es wagt in ihrer Nachbarschaft die Nacht zu verbringen. Ja, richtig gesehen, wir sind’s!
Bei Nacht und Nebel in Brandenburg
Gestärkt bereiten wir uns auf die Nacht vor. Mit wenigen Handgriffen wird aus den Sitzbänken in unserer kleinen Kajüte eine ebene Liegefläche. Zugegeben, der Komfort ist hier auf ein Minimum reduziert. Keine Fenster, die kühle Abendbrise weht uns um die Nase. Aber ist es nicht genau diese Einfachheit, die ein Abenteuer erst so spannend macht. Viel zu selten machen wir uns bewusst, wie wenig es eigentlich braucht, um glücklich zu sein. Wir zwei hier, gemeinsam auf einem traumhaften See in der absoluten Stille der Natur (mal abgesehen vom Quaken der Frösche). Was sonst ist nötig? Ich zumindest vermisse weder mein Handy noch die abendliche Netflix Serie…
Zum Schlafen gehen sind wir immer noch zu aufgekratzt. Also setzen wir uns im Schein der Petroleumlampe noch ein wenig an Deck, dick eingepackt in unsere Daunenjacken, denn es ist empfindlich kalt. Kälter, als gedacht… Wir schauen in die Sterne und können es gar nicht fassen, dass wir eigentlich nur einige Kilometer Luftlinie von daheim entfernt sitzen – und uns dennoch wie in einer anderen Welt fühlen. Fernab der Großstadt.
Um 4 Uhr morgens sitze ich kerzengerade in meinem „Bett“. Da ist es wieder, dieses Knarzen. Ich luge aus dem offenen Fenster – und sehe nichts als düstere Dunkelheit. Nebelschwaden ziehen über den See. Mystisch und schön. Ich habe das Gefühl, als wären wir die einzigen Menschen auf diesem Planeten. Eine Eule schreit aus dem nahen Wald am Ufer. Ich fröstele – und bin auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob dieses Abenteuer nicht etwas zu abenteuerlich für mich ist. Wobei, eigentlich sind wir ja sicher hier mitten auf dem See und eigentlicht ist es auch wunderschön, wie der Mond sich im Wasser spiegelt. Henryk schlummert selig neben mir im Schlafsack. Der alte Abenteurer ist voll in seinem Element. Wie lange es wohl noch dauert, bis die Sonne wieder aufgeht..?
But first… Coffee!
Es dauert genau bis 5:18 Uhr – dann beginnt es zu dämmern. Puh, ich habe noch immer eine Gänsehaut. Dieses Mal aber weniger wegen der vielen Geräuschen der diversen Nachtgestalten um uns herum, als vielmehr wegen der doch recht knackigen Temperaturen außerhalb des gemütlichen Schlafsacks. Jetzt schnell Zähneputzen und dann erst mal einen heißen Kaffee, bitte! Während Henryk den Anker lichtet, schmeiß ich unseren Gaskocher an und setze schon mal Wasser auf. Und als wir dann so losschippern in den Sonnenaufgang, lichtet sich der Nebel langsam. Die Welt erwacht – und es ist einfach nur friedlich und traumhaft schön… Jetzt bin ich wirklich froh, dass wir die einzigen Menschen weit und breit sind.
Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir am Vormittag dann endlich mal Strecke. Vorbei an Klein Glienicke, durch den Griebnitzsee, ein kurzer Stopp bei der Söhnel Werft und weiter Richtung Stölpchensee, Pohlsee bis zum Wannsee, na klar! Mir war bisher nicht bewusst, wie viele Prachtbauten und Villen mit Seeblick es rund um Berlin gibt. Echter Luxus ist meiner Meinung nach trotzdem was anderes – den haben wir in diesen Stunden auf unserem Floß! Wir staunen trotzdem und winken den anderen Hobby-Seefahrern um uns herum zu. Der Tag vergeht wie im Flug. Inzwischen ist es deutlich milder geworden, wir tauschen die dicken Daunenjacken gegen leichte Windjacken und schmeißen am frühen Nachmittag, na klar, noch einmal den Grill an. In der Nachmittagssonne genießen wir die letzten Stunden auf dem Wasser, schippern, musizieren, tanken auf.
Doch es kommt wie immer – jedes Abenteuer hat einmal ein Ende. Am Nachmittag ist es an der Zeit, wieder zurückzukehren. Am frühen Abend taucht die Skyline der Stadt am Horizont vor uns auf. Der Hafen ist nur noch wenige Seemeilen entfernt. Wir lassen die letzten 24 Stunden noch einmal auf uns wirken. Ein aufregender Start, eine abenteuerliche Nacht, ein großartiger Sonnenaufgang, ein entspannter Tag an Deck. Es kommt uns vor, als wären wir 2 Wochen in Urlaub gewesen, so weit ist der Alltag entfernt. Als wir unser Floß an der Station von Huckleberry’s zurücklassen, schwanken die Bohlen unter unseren Füßen noch ein wenig. Wir sind erschöpft – und glücklich. Wir schauen uns lange an und müssen beide nichts sagen und doch wissen wir, dass uns die gleiche Frage beschäftigt: Welches Abenteuer gehen wir nächsten Freitag an?
Wir bedanken uns bei Andreas für die Begleitung an Tag 2, die schönen Fotos und das leckere Grillerei. Ein fettes Dankeschön auch an Ole von Huckleberry´s für die Leihgabe seiner schwimmenden Herberge. Die Übernachtung ist unsere absolute Empfehlung – aber es geht auch kürzer, wenn man mag. Ein Bootsführerschein ist übrigens für die Flöße nicht nötig. Last not least auch „Tack“ an Haglöfs für die ultraleichten und robusten L.I.M. Comp Jacken, die uns unterwegs super Dienste geleistet haben.
Dieser Beitrag wurde unterstützt durch die genannten Partner. Er spiegelt jedoch uneingeschränkt die Meinung und Eindrücke des Autoren wieder.