Madrid off the Beaten Tracks
Unsere Gastautorin Katrin ist weiterhin unterwegs in der Welt. Ein Besuch bei einer Freundin führte sie zuletzt nach Madrid. Wir von OUT OF OFFICE können aus eigener Erfahrung nur bestätigen – ein Abstecher in die urbane Schwestermetropole von Barcelona lohnt sich immer. Und natürlich gilt: Die spannendsten Seiten der Stadt entdeckt man abseits der Touristenströme. So erlebt auch Katrin Madrid wie es sich gehört: Mit allen Sinnen.
Ohrenschmaus: Let the music play
Auch wenn man keine Energybrause trinkt, die Events des „roten Bullen“ sind meist spektakulär: Die Red Bull Music Academy hatte sich mit dem diesjährigen Bass Camp in Madrid eingefunden und dank des Tipps einer Freundin landeten wir mittendrin. Neben Vorträgen und Workshops gaben sich die kreativen Pioniere der Musik-Szene nicht nur persönlich die Ehre, sie präsentierten in Live-Sessions auch ihre aktuellen Stücke. Weder Emptyset noch SunnyGraves waren mir bislang ein Begriff, doch beide breiteten ausgeklügelt gewebte Klangteppiche aus feinsten elektronischen Beats aus, auf denen ich mich sofort ziemlich wohl fühlte. Um uns herum wippten vollbärtige Männerjungs und hippe Ladymädels stilsicher im Takt und fachsimpelten – ohne den Kennerblick von den Händen der Turntable-Gurus abzuwenden.
© Gianfranco Tripodo
Das öffentlich zugängliche Medialab Prado lohnt sich übrigens auch für einen Abstecher, wenn mal keine Bässe durch die Halle dröhnen. Die Menschen, die in dem charmanten Gebäude mit Ihren Laptops im Neonlicht an interessanten Projekten arbeiten, sorgen allemal für gute Vibes.
Seelenfutter: Should I eat it or frame it?
Meine Freundin Miriam hat sich ein ziemlich spannendes Forschungsfeld für ihre Doktor-Arbeit ausgewählt (im weitesten Sinn geht es um Haute Cuisine), was uns in die Ausstellung „Über den kreativen Prozess in der Gastronomie“ von Ferran Adria führte. Hierzulande nicht ganz so bekannt, hat Ferran Adria eine Menge zu diesem Thema beigetragen, erhielt er doch dreimal die Auszeichnung als Bester Koch der Welt, erfand die Molekularküche und ist Lehrmeister einer ganzen Generation von Spitzenköchen. Ob Kochen nun Kunst ist oder zumindest sein kann ist dennoch eine berechtigte Frage, deren wissenschaftliche Beantwortung noch einige Zeit beanspruchen wird.
Neben eigens designten Küchengeräten und futuristisch anmutendem Essgeschirr sind zahlreiche Speisekarten aus 25 Jahren kreativer Koch-Karriere zu bewundern, in denen zu Bestzeiten 40 Köche für 50 Besucher am Tag arbeiteten. Dabei entstanden Kreationen wie Tomatensuppe mit virtuellem Schinken, Haselnuss-Kaviarcreme oder Nitro-Erdbeeren an Parmesan. Wäre ich sicherer mit der spanischen Sprache, hätte ich eher fünf statt zwei Stunden in der Ausstellung verbracht. In jedem Fall gilt nach dem Besuch: der nächste Weg führt immer ins Restaurant um die Ecke.
Eat it!
Nix Tapas y Vino sondern Cerveza y Pinchos heißt es in Madrid. Aber erst nach dem Aperitif. In der – wie wir bald lernen mussten, regional begrenzten – spanischen Manier, dass man zum Auftakt der abendlichen Schlemmer-Tour einen Cava nimmt, streunten wir durch die Straßen Madrids… allein es fehlt der Cava! In einer kleinen gemütlichen Bar wurden wir fündig – und sogleich freundlich aufgeklärt, dass es eher die Katalanen sind, die dem spätnachmittäglichen Sektchen frönen. In Madrid mag man es offensichtlich ein bisschen herber. Zum Aperitif trinkt man Wermut oder im Zweifel Bier.
Es gibt natürlich auch hervorragende Weine zu vergleichsweise niedlichen Preisen, doch eigentlich geht man in eine Bar, bestellt ein Bier, bekommt ein Pincho dazu, verzehrt beides und das wiederholt man, bis man voll ist. Wir haben uns beim Bier ein Stück weit zurück gehalten und das Verhältnis deutlich zugunsten der Pinchos erhöht, von denen es gefühlt in jeder Bar eine besonders leckere Spezialität gibt.
Zum Anfassen: Kunst und Krempel am Sonntag
Neben Kunst und Kulinarik lädt Madrid natürlich auch zum Shoppen ein, zum Beispiel sonntags auf den Rastro. Der größte Open Air-Flohmarkt der Stadt zieht sich durch ein ganzes Viertel und ist zugegebenermaßen kein Geheimtipp, aber dafür immer wieder ein perfekter Abschluss für ein perfektes Wochenende in der Stadt. Besonders schön sind die Antiquitäten- und Vintageläden in der zweiten Reihe, die von der kleinen Kachel über die ausgebeulte Milchkanne bis zum Massivholz-Sekretär aus dem frühen 19. Jahrhundert alles anbieten. Ähnlich wie in Asien versammeln sich in jeder der kleinen Gassen, die von der Hauptmeile abgehen, die Vertreter einer bestimmten Zunft. Preisvergleich analog: Kanarienvogel-Gasse hoch, Bilderrahmen-Gasse runter und am Ende kauft man doch bei dem, der persönlich am besten gepunktet hat.
Also, wenn ihr mal wieder ein Wochenende OUT OF OFFICE verbringen wollt: Auf nach Madrid, es lohnt sich!