Tiefenentspannung – tut auch mal (wieder) gut
„Abenteuer in Deutschland“ oder mit etwas Glück auch „Unterwegs in den Anrainerstaaten“… So oder ähnlich werden die meisten von uns ihren nächsten Urlaub betiteln. Denn es gibt einfach Zeiten, die sind anders als alles, was wir uns bisher vorstellen konnten. In einer eben solchen leben – und reisen – wir aktuell.
Aber ist das so schlimm? Im Gegenteil.
Das Abenteuer Deutschland steckt voller (fantastischer) Überraschungen, finden zumindest Nadine & Malcolm in ihrem zweiten Gastbeitrag über ihren Stopp in den Ammergauer Alpen.
„Atme ein… Atme aus… Lasse den Gedanken freien lauf und halte sie nicht auf (Habe ich die Schuhe sauber gemacht?), wenn sie umherwandern (Wo habe ich eigentlich die Notizen abgespeichert?). Halte die Augen geschlossen (Die Mail an den Müller muss ich nachher auch noch rausschicken... Wann war der Hund eigentlich das letzte Mal draußen?) und spüre deine (Jetzt habe ich Hunger) Aura (AURA?! Ok, ich bin raus!)…“
Auf dem Rückweg aus den Dolomiten machen wir einen weiteren Stopp im Naturpark Ammergauer Alpen und quartieren uns für ein paar Tage im Biohotel Seinz ein. Ich habe mir eine Meditationsapp heruntergeladen, nachdem wir im Eingang Poster sahen, die auf Meditations- und Achtsamkeitskurse hinwiesen. Es gibt zwar einen W-Lan Zugang, allerdings nur gegen beharrliches Nachfragen und viel Überzeugungsarbeit. Da der Handyempfang super ist, versuche ich es also gar nicht erst und genieße die Strahlen des Smartphones, das ich mir auf die Stirn gelegt habe. Ein weiterer missglückter Meditationsversuch in einer Reihe unzähliger Meditationsversuche geht zu Ende und ich lösche die App wieder. Ich habe es immerhin versucht.
Ausschalten, um abzuschalten
Ich werfe das Handy auf den Schreibtisch und beschließe mit der Familie eine Runde zu drehen. Wir verlassen mit unserer Tochter das Zimmer und gehen um das Hotel herum, um einen Ausblick zu genießen, die in jede Meditationsapp gehört: Die Hügel ziehen sich gleichmäßig über den Horizont, das Dorf fügt sich so perfekt in die Kulisse, als wäre ein riesiger Pappaufsteller hingestellt worden und die Luft ist unglaublich frisch.
Am Abend werden wir von Christian, dem Besitzer des Hotels, dazu eingeladen den Sonnenuntergang auf der Wiese hinter dem Hotel zu genießen, während er uns köstlich bekocht. Er erzählt von Energiesteinen, Energieflüssen und Dingen von denen ich nie gehört habe und an die ich nicht so begeistert glauben kann, wie er. Es ist aber vollkommen egal, weil die Aussicht, die Luft und das Licht ausreichen und ich keine weitere Erklärung für meine Entspannung suchen muss, als das was ich sehen und auf der Haut fühlen kann.
Neben einer herrlichen Aussicht und frischer Luft, trägt auch das gute Essen dazu bei, dass wir in kürzester Zeit tiefenentspannt sind. Besonders im Gedächtnis bleibt der Pizza Abend, bei dem die Gäste ihre Pizza selber belegen und im Ofen zubereiten können. Überhaupt hat die Herzlichkeit und familiäre Atmosphäre in dem veganen Biohotel einen maximal hohen Stellenwert. Ein wirklich besonderer Ort…
Ein Ranger, viele Besucher und noch mehr Daten
Am nächsten Tag nimmt uns Ranger Dominik mit auf eine Führung durch den Naturpark. Gemeinsam nehmen wir die Hörnle-Bahn auf den Zeitberg. Die Bahn ist seit 1954 in Betrieb und ist deswegen so besonders, weil sie auch für Ältere und Gehbehinderte geeignet ist: Sobald man nach einer 20-Minuten Fahrt auf den Gipfel gelangt, klappen sich die Sitze zur Seite und man kann problemlos aussteigen. Das gilt auch für Eltern, die ihre Kinder in einer Kraxe auf den Sitz neben sich stellen: Ein Handgriff, ein Schritt nach vorn und die umgeklappten Sitze ziehen an einem vorbei. Das kurz zuvor eingeschlafene Kind wacht nicht einmal auf und verpasst damit die wunderschöne herbstliche Aussicht über Bad Kohlgrub bis hin zu den Alpen.
Der 227 km² große Naturpark selbst ist noch relativ jung – er existiert erst seit dem Sommer 2017. Seit November 2018 wird er von drei Rangern betreut, die nicht nur den Park schützen und überwachen, sondern vor allen Dingen nachhaltige Aufklärung leisten. So werden unter anderem große und kleine Gäste durch den Park geführt und die Vielfältigkeit der Natur live vor Ort vorgeführt.
Eine kleine Leidenschaft, die ich berufsbedingt entwickelt habe, sind Daten. Ich sammle zum Beispiel beim Wandern meine eigenen Daten in Form von zurückgelegten Kilometern, Pulsrate, Höhenmeter, Schritte, verbrauchte Kalorien und zu mir genommene Snacks. So sehr ich das Leben in der freien Natur genieße, ich gehe nicht ohne elektrisches Equipment aus dem Haus und nehme mir immer ein bisschen Zeit, meine Daten auszuwerten und zu optimieren. Entsprechend groß war also meine Freude, als Ranger Dominik uns erklärte, dass sein Job ebenfalls zu einem großen Teil aus digitalen Datenmessungen bestehe. Die Ranger sammeln digitale Informationen, um ihre Arbeit effizienter zu gestalten: Anhand von Infrarotzählern werden beispielsweise Besucherströme gemessen und darüber das Aufkommen auf den einzelnen Wanderwegen ermittelt. Von diesen Ergbenissen widerum kann dann abgeleitet werden, welche Wanderwege besonders beliebt sind. Diese werden dann über Hinweise und Info-Tafeln intensiver bespielt, als weniger besuchte Wanderwege.
Man merkt Dominik die Leidenschaft für seinen Job bei jedem Wort, das er erzählt, an. Ein Job, der vor allem daraus besteht, die Natur zu schützen und die Menschen aufzuklären.
Plaudernd wandern wir gemeinsam vom Zeitberg zum Stierkopf, einem Gipfel auf 1.535 Metern Höhe. Die knapp 2,5 Kilometer von der Hörnle-Bahn bis zu unserem Ziel kann man wohl mit gutem Gewissen als extrem familienfreundlich bezeichnen. Es gibt nur wenige starke Steigungen und kaum Möglichkeiten sich zu verirren (auch mal schön). Selbst als Eltern eines damals 1,5-Jährigen, quirligen Kindes können wir die Aussicht genießen, da das Kind frei herumlaufen kann, ohne dass wir Angst haben müssen, dass es irgendwo herunterfällt oder verloren geht. Entspannung ist auch hier vorprogrammiert und während Dominik weiter von der Vielfältigkeit seiner Arbeit als Ranger erzählt, gehen wir versonnen zurück zur Bahn.
Der mit Abstand körperlich entspannteste Urlaub unseres Lebens geht nach wenigen Tagen zu Ende und während unsere Tochter vergnügt über eine Wiese läuft und sich über Käfer und Ameisen freut, saugen wir noch einmal die Luft und Aussicht hinter dem Hotel ein. Unsere Shakren sind kernsaniert und die Auren strahlen wie neu.
Es war der letzte Urlaub vor der Corona Krise und wenn wir heute die Zeit zurückdrehen könnten, würden wir uns sicherlich noch einmal dafür entschieden den Kopf mit frischer Luft, tollem Essen und lieben Menschen in einem kleinen Ort freipusten zu lassen, in dem die Zeit stehen bleibt und die Sorgen auch bis morgen warten können.
Wir bedanken uns beim Toursimusverband Ammergauer Alpen für die Einladung. Dieser Artikel ist Teil einer Kooperation, spiegelt jedoch uneingeschränkt die freie Meinung des Autoren wieder. Mehr Informationen unter: www.ammergauer-alpen.de