Olympisches Dorf Berlin – eine Zeitreise
Reisen führen nicht immer zwangsläufig viele Kilometer in die Ferne – manchmal sind es vielmehr Jahre… Zurück in vergangene Zeiten! Am Wochenende nutzten wir die letzten herbstlichen Sonnenstrahlen und machten uns auf den Weg ins Elstal am Rande von Berlin. Eine Zeitreise zurück ins Jahr 1936, das Jahr der Olympischen Spiele in Hitler-Deutschland. Der perfekte Ort für einen Foto-Spaziergang – aber auch ein Ort der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit…
DIE SPIELE UND DER GRÖSSENWAHN
Mit Berlin verbindet man vor allem zwei große historische Themen (neben vielen anderen spannenden kulturellen Highlights, natürlich): Die DDR und der Nationalsozialismus. Letzterer prägte die Olympischen Spiele von ’36 unter anderem durch massive Propaganda und eine Architektur des Größenwahns. Der schöne Schein, den die Nazis Aufrecht erhalten wollten und der die Welt glauben lassen sollte, das deutsche Reich wäre unbesiegbar, ist noch heute an vielen Baudenkmälern spürbar. So auch im ehemaligen Olympischen Dorf.
Im Dunst des Herbstlichts, bei tief stehender Sonne und mit dem Wissen um die Gräueltaten der Nazis, sind Orte wie das alte, verfallene Gelände an der Bundesstraße 5 schaurig und spannend zugleich. Die Stille und Einsamkeit dieses beinahe friedlich anmutendes Ortes steht im extremen Kontrast zu dem grauenhaften Gedankengut, das selbigen geschaffen hat. Schon zum Baubeginn im Jahr 1934 wurde bereits die spätere Nutzung der Gebäude durch das Militär mit geplant. Ein unglaublicher Plan…
Ein geführter Spaziergang durch das Olympische Dorf ist vor allem eins: aufschlussreich! Wir wandeln durch die verfallenen Gebäude auf dem weitläufigen Gelände und sind erstaunt, wie modern die Anlagen für damalige Verhältnisse gewesen zu sein scheinen. Und wir lernen – vom Miteinander und vom Gegeneinander, wir lauschen Geschichten über die sportlichen Erfolge eines Jesse Owens, der Trinkfreude des italienischen Teams und dem Wunsch der finnischen Mannschaft nach einer kleinen Sauna am See. Es geht um die Huldigung von Kriegsheld Hindenburg – aber auch um sowjetische Besatzer, die das Gelände bis in die späten 70er Jahre noch als Wohn- und Sportanlage nutzten.
DER PLAN HINTER DEM PLAN
Im so genannten “Speisehaus der Nationen” wird einmal mehr das Ausmaß der gesamten Anlage deutlich. Über 40 Speiseräume waren in einem einzigen runden, mehrstöckigen Gebäude untergebracht – ein Saal für jede teilnehmende Nation, mit eigener Küche und eigenem Koch. Der Grundriss des Gebäudes war bereits zu Baubeginn so angelegt, dass es später zum Militär-Krankenhaus umfunktioniert werden konnte. Das allerdings wussten die Mannschaften damals nicht, als sie sich hier zum Essen einfanden…
Während unseres rund 2,5 Stunden dauernden Spaziergangs hält langsam die Dunkelheit Einzug über dem Elstal. Kälte kriecht uns in die Knochen, in den Gebäuden erkennen wir nur noch die Silhouetten von Wandgemälden und Bauwerkzeugen – der Geist der Vergangenheit und der heutige Oktoberabend verschmelzen zu einer Einheit. Fast ist sie körperlich spürbar – die Geschichte, die in diesen Räumen Gegenwart war. Ein Grenzgang zwischen damals und heute, zwischen sportlichen Erfolgen und dunklem Gedankengut.
DUNKLE GEISTER
Die Führung endet an einem alten Kommandantenhaus und mit einer letzten Anekdote, die einmal mehr verdeutlicht, das Olympische Spiele im Jahr 1936 niemals nur sportlich erzählt werden können. So ist der damalige Kommandant, ein überzeugter und treuer Nazi, der auch das Olympiadorf organisiert und disziplinarisch geführt an seiner eigenen Vergangenheit zerbrochen: Sein Großvater war Jude – und obwohl dieser schon früh zum Christentum konvertiert war, war es dem Kommandanten unerträglich, einen Juden in seiner Blutlinie zu wissen. Er haderte so sehr damit, dass er sich eines nachts zum See des Dorfes schlich und sich mit seiner Dienstpistole selbst richtete – gleich neben der Blockhaus-Sauna der finnischen Olympia-Mannschaft.
An einem Ort wie diesem gibt es stets mehr als eine Geschichte, die man erzählen muss…
Wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, selbst einmal die Ruinen des Olympischen Dorfes zu besichtigen, bevor alles abgerissen (oder zu Eigentumswohnungen saniert) wird, dann habt ihr ab April 2017 wieder die Möglichkeit. Denn für heute schließen die Tore des Dorfes und der Ort versinkt in einen langen, einsamen Winterschlaf…
Mehr Informationen zur Stiftung und den Öffnungszeiten des Geländes findet ihr HIER.
Die Hörmupfel
schrieb amHallo, Renate,
eine sehr schöne Seite mit vielen interessanten Berichten und tollen Fotos. Das Olympische Dorf habe ich schon lange auf meiner to-do-Liste und dein sehr ansprechender Bericht hat mir wieder Appetit darauf gemacht. Sofort habe ich Berlin auf die „Urlaub 2017“-Liste gesetzt und hoffe, dass es nächstes Jahr klappt, dort mal wieder hin zu fahren.
Auf einer deiner Seiten habe ich eine Landkarte entdeckt, in der du die Länder markiert hast, in denen du warst. Eine sehr schöne Idee, die ich nun auch einmal umsetzen möchte. Ich weiß, dass ich in den letzten 10 Jahren 30 Länder besucht habe, weil das in unserer Geocaching-Statistik automatisch aufgezeichnet wurde. Doch die Länder, die ich vor dem Start unseres Hobbys besucht habe, sind darin noch nicht enthalten. Deshalb werde ich mich inspirieren lassen und auch einmal eine solche Karte erstellen.
Danke dir für die Anregungen und Informationen!
Liebe Grüße
Dotti von der Hörmupfel – dem Audioblog aus dem Allgäu
Team OUT OF OFFICE
schrieb amHallo Dotti,
es freut uns, dass dich der Artikel inspiriert, bald mal nach Berlin zu kommen. Ab April bietet das Olympische Dorf wieder Führungen für Besucher an!
Viel Spaß bei deinen weiteren Reisen, natürlich dann insbesondere in Berlin und viel Erfolg der Überarbeitung deines Blogs!
Liebe Grüße von Katharina & Henryk