Tool Time in Berlin – ich baue mir ein Skateboard
Das Gefühl, mit den eigenen Händen etwas erschaffen zu haben – für mich Schreibtisch-Täterin und Tasten-Tipperin etwas absolut Besonderes. Späne fliegen, alles nimmt Form an. Splitter, Staub, Krach. Dann der Moment, als mein „Kunstwerk“ nach vier Stunden endlich fertig ist: Unbezahlbar!
Ein Sonntag im März. Zum ersten Mal in diesem Jahr klettern die Temperaturen über die 10 Grad Marke. Die Sonne lacht, ich höre tatsächlich Vogelgezwitscher über mir in den noch kahlen Baumkronen. Ein schöner Tag. Und er soll noch besser werden, denn für uns steht ein Besuch beim Berlin Travel Festival auf dem Programm, ein Pilotprojekt im Rahmen der ITB, der weltweit größten Tourismus- und Reisemesse. Das Festival ist im Gegensatz zur großen Schwester in den Messehallen ein typisches Berliner Hipster-Event. Als sich die Tore der Arena an der Spree an diesem Morgen um zehn Uhr vor uns öffnen, sind die Gänge noch leer, nur wenige Besucher schlendern lässig mit einem Café Latte in der Hand und Jutebeutel über der Schulter durch die Hallen – in Berlin geht halt alles etwas später los. Ein knallroter Käfer mit Dachzelt lacht uns an, daneben Kirchenbänke, die dazu einladen, durch die wunderschönen Bildbände aus dem Gestalten Verlag zu blättern. Die Streetfood-Stände bereiten sich für das spätere Mittagsgeschäft vor und auf den Bühnen, auf denen im Laufe des Tages verschiedene Vorträge stattfinden sollen, wird noch der Soundcheck gemacht.
This is nice, yo!
Ganz am Ende der Halle ein vertrauter Anblick. Ein großes Plakat mit Alpenpanorama, darüber ein fetter, roter Laax-Schriftzug. Die Region im Schweizer Kanton Graubünden ist vor allem bekannt für sein Skigebiet, ein echtes „Boarders Paradise“. Jungs und Mädels, die Spaß haben an Kickern, Tricks und einer gigantischen Halfpipe, sind in Laax genau richtig. Aber auch, wenn dies alles nicht unbedingt auf Henryk und mich zutrifft, durften wir dort im letzten Winter jede Menge Action und Abenteuer erleben, als wir in der Freestyle Academy an unseren Skills gefeilt haben. Es verwundert also nicht, dass Laax sich auf dem Festival gewohnt lässig präsentiert: In einer kleinen Werkstatt können Besucher ihr eigenes Skateboard bauen. Ich bin sofort Feuer und Flamme!
Sägen, Schleifen, Tapen…
Dass Skateboarding nicht nur was für Jungs ist, beweist auch Tanja, meine Mitstreiterin für den heutigen Tag – neben den vielen liebenswerten halbstarken aus dem Prenzlauer Berg. Anfangs sind wir alle noch etwas unsicher und harren der Dinge, die da auf uns zukommen werden. Doch Ben und Urs von der Bündner Board-Schmiede Enlain, unsere heutigen Partner in Crime, drücken uns gleich eine Planke in die Hand. „Shape auswählen, aufzeichnen und ab, raus zum Sägen.“ Okay, wir wagen uns an die Werkzeuge…
Je mehr mein Board Gestalt annimmt, desto enthusiastischer werde ich. Das sieht tatsächlich aus, als könnte das was werden. Mit Hingebung schleife ich die letzten Kanten rund, mein Drang zu Perfektionismus ist bereits nach der ersten Stunde am Anschlag. Und es wird mit jeder Minute aufregender. Aus dem Brett ist mein „Baby“ geworden, mein Projekt. Je länger ich daran arbeite, desto weniger möchte ich falsch machen. Das Griptape aufkleben – eine Zitterpartie! „Bloß nicht schief!“ – ich habe nur diesen einen Versuch. Und wohin mache ich das Branding? Ich arbeite nicht länger „nur“ an einem Skateboard, ich arbeite an einem Kunstwerk! Ben kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Wahrscheinlich erlebt er bei jedem seiner Workshops, wie sich zwischen dem „Handwerker“ und seinem Objekt in Laufe der Stunden eine tiefe Liebe entwickelt…
Bohren? Im Ernst?
Die Reifeprüfung: Wir müssen die Achsen für die Rollen montieren. Heißt, wir müssen in unsere liebevoll abgeschmirgelten und beklebten Bretter bohren. OMG! Es ist nicht so, als würde ich mir nicht zutrauen, daheim mal ein Loch in die Wand zu bohren. Aber ich habe die letzten drei Stunden damit verbracht, das Brett vor mir auf der Werkbank zu dem zu machen, was es jetzt ist. Nun soll ich es mit dem Bohrer malträtieren – und das auch noch exakt an der richtigen Stelle. Adrenalin schießt durch meine Adern, als ich ansetze und erst zaghaft, dann immer stärker den schwarzen „Push“-Button drücke. Wie ein wildes Tier zischt der Bohrkopf und frisst sich in mein zartes Brettl… Dann ist es vorbei. Und es tat gar nicht so weh…
Ride it!
Letzter Akt im Abenteuer Skateboard-Bau. Ich feile noch ein wenig an den Details, spraye noch etwas Klarlack auf die Oberflächen, montiere die Rollen – und bin nach rund vier Stunden bereit, mein „Baby“ endlich auszuführen. Die erste Probefahrt steht an und wir kommen zu einem Problem, das ich bisher völlig außen vorgelassen habe: Ich kann gar nicht wirklich skaten! Okay, wir haben zwei Longboards zu Hause, mit denen wir im Sommer gerne mal auf einsamen Berliner Wohnstraßen cruisen. Mein Brettchen aber hat Carver-Achsen, ist also deutlich wendiger (man könnte es auch bockiger nennen). „Ist wie snowboarden,“ behauptet Urs, als er mir lässig vorführt, wie einfach es doch ist, durch die Halle zu boarden. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sage ich mir – und rolle los…
Stolz trage ich mein Skateboard am Ende des Tages nach Hause. Die Finger voller Splitter, die Arme aufgescheuert, die Knie noch etwas zittrig von der ersten Probefahrt. Aber ich bin glücklich – und das Gefühl, dieses Board mit meinen eigenen Händen gebaut zu haben, ist einfach nur toll. Werkeln macht den Kopf frei und lässt das Herz hüpfen. Ich kann verstehen, was Urs und Ben an ihrem Job lieben, wenn sie jeden Tag etwas Neues erschaffen. Sie sagen: „In jedem Board steckt auch ein Stück von uns selber.“ Und es stimmt – in meinem neuen Skateboard steckt auch ein Stück von mir. Danke Jungs, für diese Erfahrung. Es war mir eine Freude!
Enlain in Flims, Laax, Falera
Wenn ihr auch einmal euer eigenes Skate-, Surf- oder Snowboard bauen wollt, dann lege ich euch die Werkstatt der Enlain Factory wirklich ans Herz. Aktuell findet ihr sie noch in Flims, bald schon ziehen die Jungs aber direkt nach Laax, wo ihr dann vor der Traumkulisse der Schweizer Alpen euer eigenes Board erschaffen könnt. Der Abstecher nach Graubünden lohnt sich in jedem Fall – am besten verbindet ihr das einfach mit einer kleinen Auszeit in den Alpen. Gibt schlimmeres!
Hier findet ihr weitere Infos: www.laax.com