Damals wie heute – Walliser Glücksgefühle
„Prochain arrêt, Aigle“, knistert es aus dem Lautsprecher. Lächelnd erhebe ich mich von meinem Sitz, schaue noch ein letztes Mal gedankenverloren auf den nebelverhangenen Genfer See, dann widme ich mich dem Projekt „Skisack-Monster von der Gepäckablage hieven“…
Ich bin zurück im Wallis. Und es fühlt sich toll an. Genau zehn Jahre ist es nun her, dass ich hier in Aigle in den Zug gestiegen bin, um nach drei Wochen Skifahren in Portes Du Soleil weitere drei Wochen in Verbier zu verbringen. Richtig gelesen, sechs Wochen Schweizer Berge – das schien mir damals als Student eine angemessene Belohnung für die stressigen Monate der Diplomarbeit zu sein. Einige meiner Freunde erklärten mich zwar für verrückt („Was willst Du denn so lange auf dem Berg, Alter? Da oben gibt es ja nichts außer die eigene Hotelbar…“), doch schon damals war mir klar, dass es auf gar keinen Fall langweilig werden würde. Ich freute mich darauf, nicht länger auf mein Notebook zu starren, sondern mir lediglich Gedanken über den Neuschnee machen zu müssen. Und auf das Wiedersehen mit alten Bekannten, die – genau wie ich damals – vor Ort immer mal wieder für einen Skireise-Veranstalter arbeiteten. Zugegeben, der Studentenjob in den Bergen war nicht immer paradiesisch: Wenn man beispielsweise beim wöchentlichen Hausputz das undankbare Badezimmer-Los gezogen hatte und vier Stunden die Klos der Gäste reinigen durfte. Oder wenn man mit der Crew aus Tschechien Küchendienst hatte und Ostblock-Techno den Raum beschallte. Es gab aber auch angenehme Aufgaben wie Schneebar bauen, Skigebietsführungen oder die Gäste zum Käsefondue zu begleiten. Nicht zuletzt hing der Spaßfaktor immer auch davon ab, mit wem man gemeinsam Dienst hatte…
Und wie es das Schicksal – oder Hausleiter Jan – so wollte, hatte ich damals mit einer jungen blonden Münsteraner Studentin namens Katharina sehr viele gemeinsame Schichten. In Portes Du Soleil und auch später in Verbier. Ihr wisst, wie das ausgegangen ist… Heute bin ich mit der Dame verheiratet und darf mit ihr die Welt entdecken. Danke Jan, danke Pfiff Reisen!
Where it all began – zurück in Portes du Soleil
Im Zug sitzend merke ich heute einmal mehr, dass ich mein Herz damals nicht nur an Katharina, sondern auch an die Walliser Berge verloren habe. Zu schön ist der Blick auf die Dents-du-Midi, unschlagbar die Dichte der Viertausender und die damit verbundenen Möglichkeiten – damals wie heute.
Mit meinem Dauerlächeln und dem verliebten Blick halten mich die Mitreisenden um mich herum sicherlich für blöd oder total bekifft, doch ich bin einfach nur glücklich, zurück in den Schweizer Bergen zu sein. Zurück im Wallis und gespannt darauf, was in den kommenden Tagen neu und was vertraut sein wird.
Neu ist jedenfalls der Luxus eines eigenen Zimmers. Schnarchende Teamkollegen, nicht vorhandene Ablagefläche für die Skiklamotten und die ausgeblichene Bettwäsche mit dem blauen Logo – all das vermisse ich nicht gerade. Lediglich Katharina fehlt bei diesem Trip. Es wird Zeit, dass auch sie mit dem Skitouring beginnt! Denn genau das ist der Grund, warum ich heute überhaupt noch einmal hier bin.
Der neue Rando-Parc Morgins
Das Thema Skitouring gab es vor zehn Jahren noch nicht – jedenfalls nicht für mich. Natürlich habe ich damals den ein oder anderen Abstecher ins Gelände abseits der Piste gewagt. Mit richtig breiten Freeride-Ski waren damals jedoch nur echte Könner unterwegs, mit Tourenski-Bindungen nur vollbärtige Rentner oder extreme Alpinisten. Heute sieht das in Portes du Soleil völlig anders aus – auch dank Yannick Ecoeur. Der ehemalige Weltmeister und Vize-Europameister ist in der Ski-Szene durchaus bekannt. Und er ist ein echter Walliser, genauer gesagt ein Local aus Morgins.
Um dem anhaltenden Skitouring-Boom gerecht zu werden (im lokalen Shop wird mittlerweile mehr Touring- als normales Ski-Equipment verliehen) und auch, um interessierten Einsteigern sichere Routen abseits der Skipiste zu offerieren, hat Yannick den Morgins Rondo-Parc ins Leben gerufen und die Strecken mit gestaltet. In Summe gibt es sieben Tracks unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade. Alle starten im Zentrum von Morgins und enden an einem Lift. Auch ohne Tiefschnee-Erfahrung kann dadurch jeder Touring-Einsteiger entspannt (und sicher) über die Piste zurück ins Tal fahren. Schade, dass es das vor zehn Jahren noch nicht gab. Ich bin sicher, ich hätte damals schon Spaß daran gehabt…
Skitouring – auch für Genießer
Die Beweggründe, mit Skiern den Berg hinauf zu laufen, sind genauso unterschiedlich wie die Menschen (und deren Kleidung), die es betreiben. Für Typen wie Yannick Laceur ist das ganze ein Hochleistungssport. Ein Wettkampf gegen die Uhr, gegen den eigenen rasenden Puls und gegen andere Sportskanonen in eng anliegenden Hosen und mit Dynafit Stirnband. Skirennen ist der wohl passendere Begriff für diese Disziplin. Für etwas weniger leistungsorientierte Menschen wie mich geht es dann doch eher um den Genuss. Ob mich dabei das Naturerlebnis an sich oder die anschließende Abfahrt mehr reizt, kann ich gar nicht recht sagen…
Verbier / Val de Bange, unser zweiter Stopp im Wallis, ist für beides gleichermaßen die perfekte Ausgangslage – und wieder ein Ort voller Erinnerungen. Bei unserer Ankunft am Abend schlägt mein Herz erneut schneller. Das traumhafte Bergpanorama, die vielen Lichter der hübschen Chalets sind mir sogleich wieder vertraut. Und dann war da ja noch der ein oder anderen lustige Abend im Pub Mont Fort damals…
Vor zehn Jahren ging es mir in Verbier vor allem darum, ohne große Action schnell ins Gelände zu kommen. Kaum ein Ort zieht so viele Freeride-Enthusiasten an. Jedoch muss man sich bei Neuschnee wirklich sputen, um in unverspurtes Gelände zu gelangen.
Wer heute mit Tourenski unterwegs ist, hat dieses Problem nicht. Ich erlebe Verbier bei diesem Besuch entsprechend von einer anderen, entspannteren Seite. Wir starten unsere Tagestour auch gar nicht im Skigebiet selbst, sondern fahren weiter ins Tal hinein, um dann am gegenüberliegenden Hang den Gipfel des Mont Gogneux in Angriff zu nehmen. Hier unten im Talkessel wird einem die Dimension der umliegenden Giganten erst richtig bewusst. Immer wieder blicke ich mich um. Was für Riesen!
Sowohl der Aufstieg durch den Wald, als auch unser erstes Etappenziel sind absolute Highlights. In der gemütlichen Stube der Bruner-Hütte folgen wir der Empfehlung unseres Bergführers Jean-Marc und bestellen das hausgemachte Tomatenfondue (das letzte Fondue ist schließlich schon mehr als einen Tag her). Hätte ich damals schon von dieser Käse-Schweinerei gewusst, ich wäre mit Sicherheit schon früher hier oben gewesen – um Katharina auszuführen.
Neu für mich ist übrigens auch der Käsen-Automat im Tal inklusive Kartoffeln, Bündner Fleisch, Cornichons, und und und… 24 Stunden, 7 Tage die Woche Raclette und Fondue. Warum gibt es so etwas eigentlich nicht in Berlin?
Freeride Extreme
Wenn Laax das Mekka der Snowboard & Freestyle Szene ist, dann ist Verbier das Paradies für Freerider. Der Ruf des Gebiets war damals schon ausschlaggebend, warum ich unbedingt hier hin wollte für meine Auszeit nach dem Studium. Wenn ich heute durch den Ort schlendere und mir die Menschen anschaue, hat sich am Image und der Zielgruppe nicht viel geändert. Skifahrer mit schmalen Carving Ski sieht man hier kaum. Die Masse ist jung und sportlich mit „100 mm plus“ Ski unter den Füßen und ABS Rucksack auf dem Rücken unterwegs. Optisch scheinen hier alle am Extreme Verbier teilnehmen zu wollen. Ob das Können für das Rennen am Bec des Rosses – dem Finale der Freeride Worldtour – ausreicht? Man weiß es nicht. Üben kann man in diesem halsbrecherischen Gelände übrigens nicht immer. Rund 30 Tage vor dem Wettkampf darf der Hang nicht mehr befahren werden. Und um dies sicherzustellen, sitzt tatsächlich ein Kerl an der Aufstiegsroute und passt auf, dass der „heilige Berg“ nicht illegal zerschossen wird. Wer sich an der Bergstation des Mont Forts auf über 3.300 Metern umschaut, wird jedoch auch schnell begreifen, dass es überhaupt keine Notwenigkeit gibt, genau diesen Hang zu fahren. Die „Spielwiese“ ist schließlich groß genug…
Mit Tourenski, dem nötigen Sicherheitsequipment, Lawinen Know How und gesundem Menschenverstand ist hier oben einiges möglich. Ob eine mehrtägige Tour wie die entlang der „Haute Route“ nach Chamonix oder der ein oder andere kleine Abstecher mit wenigen Höhenmetern – unser Guide Jean Marc hat schon viele Gebiete in den Alpen gesehen und ist am Ende hier in Verbier „gestrandet“. Dem muss man nicht viel hinzufügen, oder?
Wir haben uns heute für eine kleine Tour entschieden, dabei einen Blick auf den Mont Blanc und zum Matterhorn gewagt – und frische Lines in unverspurten Powder gezogen. Zum Abschluss gab es dann noch einen kleinen Snack in der Sonne. Kurz: Es war ein fast perfekter Tag in Verbier – nur mit Katharina wäre er noch schöner gewesen!
Mein Fazit… Wer den Winter mag, wird das Wallis lieben! Wenn ich mich noch einmal im Leben für Irgendetwas mit sechs Wochen Skifahren belohnen wollen würde, die Kombination von Portes Du Soleil und Verbier wäre sicherlich wieder ganz weit vorne mit dabei. Und Katharina dann hoffentlich auch…
Hinweis: Dieser Artikel beruht auf einer Einladung zu einer Pressereise durch den Schweizer Tourismusverband. Er spiegelt aber uneingeschränkt die Meinung des Autoren wieder. Weitere Informationen zu den Skigebieten im Wallis findet ihr hier: www.wallis.ch