Tiroler Powderdays – Skitouring Kitzbüheler Alpen Vol. 1
Vor mir stehen zwei völlig eingeschneite, breit grinsende Wesen. Das Leuchten in ihren Augen kann ich durch die Goggles nur erahnen, doch an ihrer Begeisterung gibt es keine Zweifel. „Wohooo. Das ist ja der Wahnsinn!“ Sven hat Recht, dieser Schnee ist wirklich einsame Spitze. Ein Tourenbericht.
Gemeinsam mit Blogger-Kumpel und Freeride-Friend Sven bin ich mal wieder unterwegs in den Bergen, genauer gesagt in den Kitzbüheler Alpen. Sven ist genau so Powder-Junkie wie ich und es schaut so aus als, ob wir die nächsten Tage voll auf unsere Kosten kommen werden. Die kleine Forststraße, die zum vereinbarten Treffpunkt und Start unserer dreitägigen Skitour führt, ist jedenfalls tief verschneit. Auf den Dächern der Häuschen am Wegesrand liegt mindestens ein Meter Schnee. Ein Allrad-Fahrzeug wäre angebracht, doch solange uns niemand entgegen kommt (und davon ist in diesem hintersten Eckchen Tirols nicht auszugehen) schlägt sich unser Volvo eigentlich ganz gut. Mit ausreichend Schwung schaffen wir es bis hinauf zum Wanderparkplatz vor dem Gasthof Wegscheid. Hier treffen wir uns mit Bergführer Harald Koidl, ein drahtiger Typ mit wilden Locken, wachem Blick und einem herzlichen Lachen. Harry ist seit acht Jahren ununterbrochen in den Alpen unterwegs „Immer da, wo die Bedingungen gut sind.“ Im Winter geht er Skitouren, im Sommer alpine Hochtouren.
Schon bevor er als Bergführer tätig wurde, hatte Harald keinen regulären Bürojob. Mit einem Background als Leistungssportler ging er zum Militär, wurde bei einem Wettbewerb im Fünfkampf vom Nationaltrainer entdeckt und machte von da an hauptberuflich Sport (noch heute hält er den Weltrekord im 50 Meter Hindernisschwimmen!). Später eröffnete er eine Kletterhalle, doch zog es ihn weiterhin hinaus in die Natur. Jetzt stapft er als Bergführer Woche um Woche viele Stunden und unzählige Höhenmeter durch die geliebten Berge. Harald ist also mehr als fit, eine echte Sportskanone. Na das kann ja lustig werden ihm hinterher zu hecheln…
Nach einer kurzen Lagebesprechung und einem letzten Kaffee im Alpengasthof machen wir uns auf in Richtung Neue Bamberger Hütte, die unsere Basis für die nächsten drei Tage sein wird. Eine Skisafari von Hütte zu Hütte hätte mich schon auch gereizt, doch bin ich nach wenigen Metern froh, dass wir nur heute am Anreisetag unser gesamtes Gepäck mitschleppen müssen…
Von Aufstiegen und Abfahrten
Der Weg führt uns die tief verschneite Forststraße hinauf, dann verlassen wir den offiziellen Weg und stapfen querfeldein durch den Nadelwald. Hier zeigt sich bereits, wie Harry tickt. Am liebsten spurt er selber – erst recht, wenn die vorgegebene Spur zu flach ist. Auf den Bäumen liegt eine dicke Schneeschicht und vom Gebirgsbach, der parallel zu unserem Weg verläuft, ist auch kaum noch etwas zu sehen. Ein echtes Winterwonderland – still, glitzernd, friedlich, romantisch.
Da wir nicht den direkten Weg zur Hütte nehmen, sind wir völlig allein unterwegs. Ich hatte Harry im Vorfeld geschrieben, dass Sven und ich eher abfahrtsorientiert seien, daher will unser Guide heute mit uns auf die Schneegrubenspitze. Vom Gipfel auf 2.237 Meter aus führt eine schöne, anfangs recht steile Abfahrt hinab, bevor es dann quer rüber zur Schutzhütte geht. Wenn der Schnee gut ist, können wir auch noch 150 weitere Höhenmeter hinab fahren, um dann sanft aufsteigend ans Ziel zu gelangen. In Summe kommen wir auf rund 1.200 Höhenmeter. Soweit der Plan…
Den Aufstieg zur Schneegrubenspitze haben wir schließlich geschafft – auch wenn der schwere Rucksack brutal nervt. Zum Glück werden wir ab morgen unser Material in der Hütte lassen können! Nach der wohlverdienten Gipfelpause mit Tee und Energy-Riegeln aus Georgien (Reste von Svens letzter Reise) ziehen wir die Felle ab, justieren die Bindungen und rutschen vorsichtig zur Einfahrt in das steile Gelände. Die Sicht ist bescheiden. Gefangen in einer dichten Wand aus Wolken habe ich keine Ahnung, wo oben und unten ist. Lediglich Haralds Spur gibt uns eine grobe Orientierung, wie sich das Gelände verhält. Der Schnee ist jedoch „gewaltig“. Feinster Powder, wie wir es zu träumen nicht gewagt haben. Wenn nur die Beine noch etwas frischer wären…
Einstand auf der Bamberger Hütte (1.756m)
Völlig entkräftet erreichen wir nach diesem ersten Tag die verschneite Schutzhütte der DAV Sektion Bamberg. Bin ich froh, als ich meinen Rucksack ablegen und aus den Skischuhen steigen darf. Wir machen es uns bequem in der Stube und gönnen uns zur Belohnung erst einmal die Spezialität des Hauses: Dreierlei Strudel. Harald hat uns nicht zu viel versprochen. Der junge Gastwirt Thomas Pletzer ist nicht nur ein begnadeter Koch, er hat auch ein Gespür für Ästhetik. Der Kuchen wird auf stylischen Schieferplatten serviert und auch das Abendbrot – Schaumsüppchen, zwölf Stunden gegarter Schweinebauch mit Sauerkrautpürre und ein fantastischer Kaiserschmarren – erinnert eher an ein Sternerestaurant als an eine Schutzhütte irgendwo im Nirgendwo. Toms Kochkünste haben sich bereits herumgesprochen, sodass im Sommer die Gäste nur wegen der kulinarischen Belohnung die rund zweistündige Wanderung zur Bamberger Hütte in Kauf nehmen!
Vor zwei Jahren wurde das Haus komplett saniert – und es übertrifft unsere Erwartungen in punkto Komfort bei weitem. Ein geräumiger Trockenraum mit Skischuhheizung, warme Duschen mit vernünftigem Wasserdruck, Doppelzimmer anstelle von Bettenlagern, eine gemütliche Stube und ein super nettes Team, das die Küchentür stets für jeden offen stehen lässt. Wir sind total begeistert!
Alpine „Gefahren“
Habt ihr schon einmal auf einer Berghütte übernachtet? Falls dem so ist, wisst ihr sicherlich, dass so ein Hüttenabend eine ganz eigene Dynamik entwickeln kann. Insbesondere, wenn der Bergführer und der Gastwirt seit vielen Jahren eng befreundet sind.
Der Rotwein schmeckt hervorragend! Die Einladung auf das erste Gläschen schlagen Sven und ich noch dankend aus, bei der zweiten können wir uns nicht mehr wehren. Genauso verhält es sich mit der darauf folgenden Runde Schnaps.
Irgendwann sind nur noch zwei Tische besetzt und alle rücken zusammen. Die beiden Jungs aus Bayern scheinen auch schon das ein oder andere Weißbier „verhaftet“ zu haben. Es wird gelacht, den Tourenberichten aus Nepal gelauscht, noch ein Weinchen getrunken und über die Kunst des Brotbackens philosophiert. Doch was ist schon ein gutes selbst gebackenes Brot ohne Speck? Schon ist Tom in der Küche verschwunden…
Die größte alpine Gefahr: Das Weißbier könnte ausgehen.
Bayerische Ski-WeisheitEs ist bereits nach 1.00 Uhr, als wir endlich selig in unsere Betten fallen. Was für ein Tag – irgendwo in den Kitzbüheler Alpen!
Ihr wollt wissen, was wir an den folgenden Tagen erlebt haben? Im zweiten Teil lest ihr von den Höhen und Tiefen des Skitourings, von fantastischen Bergpanoramen, totalem Whiteout und meinem neuen Happyplace – einem Tiroler Zirbenwald. Stay tunded…
Hinweis: Dieser Artikel beruht auf einer Einladung durch den lokalen Tourismusverband. Er spiegelt aber uneingeschränkt die Meinung der Autoren wieder.