Time to wine down
Der Wecker klingelt um 7:00 Uhr. Aufstehen – die Arbeit ruft! Ich reibe mir die Augen und quäle mich aus dem Bett. Oh man, die Nacht war wirklich zu kurz.
Während die meisten Freunde das Wochenende nutzen, um endlich einmal auszuschlafen, zu relaxen oder die berüchtigten Nachwehen der letzten Partynacht (meist verbunden mit dem ein oder anderen alkoholischen Getränk) in den Griff zu bekommen, verfolge ich eine andere Taktik: Entspannung durch körperliche Arbeit. Und hierfür muss ich pünktlich um 8:00 Uhr auf dem Hof der Familie Schmidt stehen.
Die Schmidts leben im malerischen Örtchen Bischoffingen am Kaiserstuhl und besitzen – wie könnte es anders sein – ein Weingut. Silvaner, Rivaner, Weiß-, Grau- und Spätburgunder… der ein oder andere Tropfen ist von uns in den letzten Jahren bereits verkostet worden. Und heute werde ich erfahren, wie viel Arbeit in jeder einzelnen Flasche Wein wirklich steckt. Meine romantische Vorstellung der Weinlese ist folgende: Die Sonne scheint, die Trauben duften, man schnippelt ein wenig, kostet hin und wieder mal ein Träubchen, trinkt ein zwei Gläschen zwischendurch, … Ein Jobprofil wie aus dem Märchen. Jetzt, Ende September, ist Erntezeit. Zeit zu überprüfen, ob diese Vorstellung der Realität entspricht – oder etwa nicht. Das frühe Aufstehen ist jedenfalls wenig romantisch. Immerhin scheint es ein wunderbarer Herbsttag zu werden und Frau Schmidt begrüßt uns Erntehelfer mit einem strahlenden Lachen.
Gemeinsam fahren wir zu einem der unzähligen Weinberge. Wie man hier den Überblick darüber behält, welche Reben wem gehören und wo welche Trauben wachsen, ist mir schleierhaft. Die andere Hälfte des acht Mann (und Frau) starken Ernteteams ist bereits vor Ort. Wir bekommen unser Equipment, bestehend aus einem Paar Latex-Handschuhen, wie man sie aus dem Krankenhaus kennt, sowie einer Ernte-Schere, die ausschaut wie Mamas Rosenschere, und werden in Zweier-Teams eingeteilt… Dann geht es los. Ich bilde zusammen mit dem Chef, Herrn Schmidt Senior, ein Ernte-Duo. „Du bist also Ersthelfer? Aus Berlin? Super! Also, heute ernten wir Grauburgunder. Die Arbeit ist an sich nicht schwierig. Alles was zu hell (nicht reif) oder faul ist bleibt hängen, der Rest kann ab. Wenn vereinzelte Trauben schlecht sind kannst du die Rebe trotzdem ernten und die faulen herausschneiden. Pass dabei aber auf deine Finger auf.“ Soweit das Briefing.
Badischer Wein. Von der Sonne verwöhnt.
Anfangs muss ich etwas suchen, wo am besten der Schnitt gesetzt wird. Im Zweifel mache ich einfach mehrere Schnitte bis die Rebe schwer in die linke Hand und von dort in eine blaue Sammelwanne fällt. Schnell stellt sich Routine ein. Schnipp, Schnipp, schnipp. Läuft bei mir. Kontinuierlich wandern wir die Rebstöcke entlang, von beiden Seiten erntend der Sonne entgegen. Es wird geplaudert, gescherzt und gelacht. Eine Wanne nach der anderen wird gefüllt, die dann wiederum in noch größere 500 Liter Fässer umgeladen werden. In steileren Hängen und Bereichen, die vom Trecker nicht angefahren werden können, muss die süße Ernte mit Bütten auf dem Rücken getragen werden. Die Sonne glitzert immer wieder durch die Blätter – so in etwas habe ich mir das vorgestellt.
Nach gut zwei Stunden merke ich jedoch, dass a) meine Körperhaltung die Falsche ist, b) mein Schreibtischtäter-Body zu wenig trainiert ist für den Weinberg und c) die Trauben definitiv zu niedrig hängen! Kurz gesagt – ich hab Rücken! Es folgt ein ewiger Wechsel zwischen Hocke, Ausfallschritt links, Ausfallschritt rechts und dem erneut gebückten Stehen. Trotz einsetzender Beschwerden ist das ganze dennoch recht spaßig und eine willkommene Abwechslung zum täglichen Pixel-Schubsen am PC.
Zur Mittagszeit fahren wir zurück zum Hof der Schmidts – im „Cabrio“ zusammen mit den Fässern auf dem Anhänger stehend. Einige Kilo beziehungsweise Liter sind heute morgen schon zusammengekommen. Die Trauben werden jetzt maschinell von den Stielen getrennt. Für uns heißt es Hände waschen und Essen fassen. Jetzt kommt der schönste Teil der Arbeit: das gemeinsame Zusammensitzen bei leckerem Essen – und dazu ein feines Gläschen gekühlter Wein. Grauburgunder Spätlese. Herrlich.
Je stärker der Wein desto schwächer das Bein.
Die Gefahr, die Arbeit ruhen zu lassen und sich den Freuden des Weingenusses hinzugeben, ist durchaus berechtigt. Aber auch wenn ich noch ewig im Garten der Schmidts verweilen und schlemmen und Wein verkosten könnte, machen wir uns eine Stunde später bereitwillig auf, um die Arbeit zu erledigen. Weiter geht’s! Ungewöhnlich früh wird dieses Jahr geerntet. Würden die Trauben noch länger hängen, wäre jedoch der Oechslegrad bzw. der Alkoholgehalt des Weins zu hoch.
Die Schmidts sind mit der Saison und der Ernte bisher sehr zufrieden. Die Bischoffinger Weinbauern hatten nämlich etwas mehr Glück als ihre Nachbarn, bei denen Frost und Hagel die Ernte deutlich geschmälert hat. Von ähnlichen Problemen hatten wir auch bei unserer letzten Frankreich Tour erfahren.
Der Nachmittag vergeht wie im Fluge. Wir sprechen über all die tollen Wein-Reiseziele wie Frankreich, Kalifornien, oder Südafrika, schwelgen in Erinnerungen an Neuseeland oder Chile, tauschen Tipps zu Italien aus. Natürlich sprechen wir auch über die Themen Packaging & Labeling – da schlägt mein Designerherz gleich höher. Seit letztem Jahr haben die Schmidts neue Flaschen und neue Etiketten – der Einfluss ihrer Kinder, der jungen Generation Weinbauern, ist deutlich spürbar.
Mein Arbeitstag endet – deutlich früher als der Büro-Tag – mit einem letzten gemeinsamen Glas Wein und mit einem beseelten Grinsen. Körperliche Arbeit kann durchaus angenehm sein und mein Selbstversuch „Erntehelfer“ hat sich für mich ausgezahlt. Eine super Erfahrung – die ich im Übrigen noch die nächsten Tage im Rücken spüren werde. Ich freue mich schon auf 2018 – wenn die Früchte der eigenen Arbeit geerntet oder besser gesagt getrunken werden.
Ich bedanke mich bei Familie Schmidt für dieses tolle Erlebnis, ihre herzliche Gastfreundschaft und die großzügige Bezahlung (in Wein versteht sich) – ein Barter Deal ganz nach meinem Geschmack! Hier findet ihr das gesamte Sortiment, das übrigens zu unschlagbar niedrigen Portokosten bestellt und in die ganze Republik versendet wird.